Montag, 16. Juni 2025 · 0 min read
Messung von Querlenkerverformungen an einem FSAE-Auto
Das Verständnis der Aufhängungskräfte ist ein entscheidender Faktor für die Leistungsoptimierung bei Formula-Student-Rennwagen. Das Superior Engineering Team der Universität Ljubljana nahm sich vor, mit Dehnungsmessstreifen und modernen Datenerfassungssystemen die Verformungen der Querlenker ihres FSAE-Autos zu messen.
Mit Hilfe von TRCPro und Dewesoft wurde eine sorgfältige Verformungsanalyse durchgeführt, die der Validierung von Berechnungen, der Gewichtsoptimierung und der Verbesserung der Lenkdynamik diente. Die Ergebnisse liefern wertvolle Erkenntnisse für die Verbesserung künftiger Fahrzeugkonstruktionen, einschließlich der Umstellung auf Querlenker aus Kohlefaser.
Superior Engineering ist ein junges und ehrgeiziges Team, dem über 30 Studierenden aus verschiedenen Fachrichtungen – darunter Maschinenbau, Elektrotechnik, Wirtschaftswissenschaften und Naturwissenschaften – angehören. Durch harte Arbeit und mit Unterstützung von Sponsoren schafft das Team vielfältige Gelegenheiten zur technischen und persönlichen Weiterentwicklung. Unser Ziel? Einen Formel-Rennwagen zu bauen und ihn beim Formula-Student-Wettbewerb zu testen – einem internationalen Event, bei dem sich alle Bemühungen auf der Rennstrecke auszahlen sollen.
Das Superior Engineering Team der Universität Ljubljana gibt sich jedes Jahr große Mühe, unter Befolgung der FSAE-Wettbewerbsregeln das beste und schnellste Rennauto zu bauen. Dieses Jahr arbeitet unser Aufhängungsteam an dem Projekt, die stählernen Querlenker leichter und gleichzeitig stabiler zu machen. Geplant ist, die Stahlrohre durch Kohlefaserrohre zu ersetzen.
Unser siebter Rennwagen, der unter dem Namen „Morana“ läuft, wird von zwei Emrax-188-Motoren angetrieben, die zusammen eine Leistung von bis zu 80 kW liefern. Das Fahrzeug verfügt über eine Einzelradaufhängung mit vorderen und hinteren Stabilisatoren, die eine schnelle Justierung ermöglicht. Die Fahrzeugmasse beträgt 209 kg, und die maximale Beschleunigung liegt bei bis zu 2 g. Das Team war 2023 bei vier Rennen vertreten (FS Niederlande, FS Ost, FS Deutschland und FS Alpe-Adria).
Problematik und Zielsetzung
Um die Belastungen an den Querlenkern besser zu verstehen, beschlossen wir, die Verformungen dieser Bauteile bzw. die auf sie wirkenden Kräfte zu messen. Zur Erfassung der Veränderungen in den Rohren verwendeten wir DMS-Rosetten (Dehnungsmessstreifen) von TRCPro d.o.o., die wir an ein MINITAURs-Datenerfassungssystem von Dewesoft anschlossen.
MINITAURs ist ein 8-kanaliges Datenerfassungssystem, das auch als Datenlogger dient. Es verfügt über Signalaufbereitung und unterstützt Analog-, Zähler- und CAN-Eingänge.
Unsere Verformungsmessungen an den Querlenkern und Lenkstangen des Rennwagens hatten die folgenden Ziele:
Validierung von Berechnungen
Optimierung des Gewichts der Querlenker
Messung des Drehmoments am Lenkrad
„Was man nicht messen kann, kann man nicht verbessern.“ (Peter Drucker)
Theoretische Einführung
Jeder greifbare Gegenstand verformt sich bis zu einem gewissen Grad, wenn er einer Kraft ausgesetzt wird. Die spezifische Verformung [ε] ist das Verhältnis zwischen der Längenänderung [Δl] und der Ausgangslänge [l0] des betreffenden Objekts.
Resistive Dehnungsmessstreifen (DMS) können solche Verformungen messen. Es handelt sich um kleine, dünne Sensoren aus nichtleitender Folie, auf der ein spiralförmig angeordneter, elektrisch leitender Draht angebracht ist. In einer geeigneten Brückenschaltung können DMS Spannungs-, Druck-, Drehmoment- oder Temperaturänderungen erfassen.
Haftet ein DMS auf der Oberfläche eines Objekts, dann verformt er sich mit dem Material, wenn eine Last in der entsprechenden Richtung wirkt. Durch diese Veränderung wird der Draht im Sensor gedehnt oder gestaucht, was sich auf seinen elektrischen Widerstand auswirkt. Gemäß dem Ohmschen Gesetz beeinflussen Änderungen des Widerstands [R] die Spannung [U]. Das bedeutet, dass wir die Verformung messen können, indem wir uns die Spannungsänderung ansehen.
Da die Abmessungen des Objekts bekannt sind, können wir mithilfe des Hookeschen Gesetzes die darauf wirkende Kraft berechnen. Voraussetzung ist, dass die Messungen im Bereich der elastischen Verformung erfolgen. In der folgenden Gleichung steht E für den Elastizitätsmodul, F für die externe Kraft und S0 für die ursprüngliche Querschnittsfläche der Stange, wobei σ die (mechanische) Nennspannung darstellt.
Wie zu sehen ist, befinden wir uns noch im Bereich der linearen bzw. elastischen Verformung. Zur Überprüfung können wir die Kraftgrenze für diesen Bereich berechnen. Beim Werkstoff 25CrMo4 liegt die Streckgrenze bei 0,2 % Dehnung bzw. 0,002. Im Spannungs-Dehnungs-Diagramm entspricht dies einem Wert von 410 Mpa. Da wir die Querschnittsfläche der Stange kennen (A = 63,617 mm²), können wir die Grenzkraft mithilfe der grundlegenden Spannungsgleichung berechnen:
In unserem Fall liegt sie bei 26.083 N und bestätigt, dass wir uns klar innerhalb des Bereichs der elastischen Verformung des Werkstoffes bewegen.
Dehnungsmessstreifen werden in Messschaltungen eingesetzt, von denen die bekannteste die Wheatstonesche Brücke ist. Diese Schaltung besteht aus vier gleichwertig verschalteten Widerständen bzw. DMS und verfügt über eine (konstante) Eingangsspannung Ui und eine Ausgangsspannung U0.
Je nach Anzahl der aktiven Widerstände bzw. DMS werden drei Konfigurationen unterschieden:
Viertelbrücken-Konfiguration mit nur einem aktiven DMS: Diese Konfiguration wird nur selten verwendet, da sie es nicht erlaubt, einzelne Signale von der Messung zu isolieren, und das Signal zudem durch Temperaturänderungen beeinflusst werden kann.
Halbbrückenkonfiguration mit zwei aktiven Widerständen: Diese Konfiguration kompensiert Temperaturschwankungen.
Vollbrückenkonfiguration, bei der alle Widerstände aktiv sind: Diese Konfiguration kompensiert Einflüsse von Biegung und Temperaturänderungen und erzeugt ein lineares Spannungsverhältnis Ui/U0, das ausschließlich von der durch die Axialkraft verursachten Verformung abhängt.
Querlenker
Der Rennwagen ist mit einer Doppelquerlenkeraufhängung ausgestattet. Die Querlenker bestehen aus verschweißten Rohren aus Vergütungsstahl 25CrMo4 (1.7218). Wir führten Messungen an vier Querlenkerpaaren (Rohrdurchmesser 15 × 1,5 mm) und zwei Lenkstangen (Durchmesser 12 × 1,5 mm) durch. Bevor wir die Dehnungsmessstreifen anbrachten, mussten wir die Spannungsverteilung in den Querlenkern untersuchen, um die optimalen Positionen für die Sensoren zu bestimmen. Dazu führten wir eine Finite-Elemente-Analyse (FEA) unter Berücksichtigung der Randbedingungen einer Kurvenfahrt durch.
Die oberen Querlenker, die die von der Straße eingeleiteten Kräfte auf Dämpfer und Federn übertragen, stellten aufgrund der damit verbundenen Biegebeanspruchung eine besondere Herausforderung dar.
Mithilfe der Simulation identifizierten wir die Stellen, an denen wir die Verformung mit möglichst geringer Beeinflussung durch Biegung erfassen konnten. Zur Festigkeitsbewertung führten wir eine Finite-Elemente-Berechnung unter Annahme einer vertikalen Radlast von 1000 N durch. Dabei untersuchten wir die Verteilung von Spannung und Verformung im Querlenker. Wie erwartet, traten die geringsten Spannungen in der Nähe der neutralen Faser auf.
Auswahl und Vorbereitung der Messgeräte
Da ausschließlich die Axialkraft von Interesse war, entschieden wir uns für eine Vollbrückenkonfiguration. Für die Stahlrohre mit 15 mm Durchmesser wählten wir unter Berücksichtigung der folgenden Auswahlkriterien Dehnungsmessstreifen (DMS) des Typs 1-XY11-3/350 E von HBM:
geeignete Größe im Verhältnis zum Prüfling
passende Form für die spezifische Messaufgabe
Kompatibilität mit dem Werkstoff (Stahl)
geeigneter Widerstand
passender Temperaturbereich
Die gewählten DMS sind paarweise auf separaten Rosetten angeordnet. Da Stahl den gleichen Wärmeausdehnungskoeffizienten aufweist, sind sie für Messungen an diesem Werkstoff gut geeignet.
Da wir die Spannungen an einer Stelle mit einachsiger Spannung messen wollten, platzierten wir die DMS in einem Abstand von 5 cm vom Rohrende. Vor dem Verkleben brachten wir an dieser Stelle beidseitig eine feine, zur Rohrachse parallele Markierung an. Zur Übertragung dieser Markierung auf die Unterseite des Rohrs nutzten wir eine 3D-gedruckte Führung in Form eines rechteckigen Blocks mit einer 7 mm tiefen, kreisförmigen Nut. Dies ermöglichte eine präzise Ausrichtung der Rosetten parallel zur Achse.
Vor dem Aufbringen der DMS schliffen wir das Rohr leicht an und reinigten die Oberfläche mit Aceton, um eine gute Haftung zu gewährleisten. Wir platzierten die Rosette zunächst auf einer sauberen Glasfläche, versahen ihre Rückseite mit Klebeband und nutzten dieses anschließend zur Befestigung am Rohr. Dabei richteten wir die DMS sorgfältig an der markierten Mittelachse aus.
Zum Verkleben verwendeten wir einen Tropfen Cyanacrylat-Kleber (Sekundenkleber), da dieser bei Raumtemperatur schnell aushärtet. Nach dem vorsichtigen Platzieren des DMS auf dem Prüfling umwickelten wir ihn mit Teflonband und warteten 10 Minuten, bis der Klebstoff vollständig ausgehärtet war.
Das Signalkabel der DMS löteten wir an einen TED-Stecker, der mit dem MINITAURs-Datenerfassungssystem von Dewesoft kompatibel ist. Dieses System umfasst einen integrierten A/D-Wandler, ein Signalverarbeitungsmodul und einen Computer mit Datenerfassungssoftware. Es verfügt über acht analoge und mehrere digitale Eingänge mit Abtastraten von bis zu 20.000 Hz bei 24-Bit-Auflösung.
Wir wählten eine Abtastfrequenz von 5 kHz, die eine präzise Datenerfassung bei überschaubarem Datenvolumen ermöglicht. Diese Frequenz wurde auf Grundlage des Nyquist-Kriteriums bestimmt. Wir gingen davon aus, dass der Rennwagen mit 100 km/h über eine 50 mm hohe Bodenwelle fährt, was ein Signal mit einer Frequenz von etwa 550 Hz erzeugt. Um dieses Signal in kurzer Zeit zu erfassen, benötigten wir eine Abtastfrequenz, die 5- bis 10-mal höher ist als die Störfrequenz.
Messkette
Die Messkette begann mit 18 DMS-Rosetten für einachsige Messungen von HBM (Typ 1-XY11-3/350 E), die wir nach dem Aufkleben auf die Querlenker miteinander verbanden. Für die Querlenker setzten wir eine Viertelbrückenschaltung, für die Spurstangen eine Halbbrückenschaltung ein.
Um ein ausreichendes Signal für die Datenerfassung zu erhalten, war bei der Halbbrückenschaltung eine zusätzliche Verstärkung erforderlich. Dazu konnten wir einen Dewesoft STG-Verstärker verwenden oder manuell zusätzliche Widerstände in die Schaltung einlöten. Wir entschieden uns dafür, zwei 350-Ohm-Widerstände in die Halbbrückenschaltung einzulöten.
Anschließend löteten wir Drähte an die TED-Steckverbinder, die in die MINITAURs-Datenerfassungsstation eingesteckt wurden. Danach konfigurierten wir alle Sensoren in der DewesoftX -Software und führten Sensorkalibrierungen durch. Für die Datenverarbeitung für die Rainflow-Analyse verwendeten wir Python. Alternativ kann diese Analyse aber auch direkt in der DewesoftX-Software durchgeführt werden.
Sensorkalibrierung
Nachdem wir die DMS installiert und angeschlossen hatten, erhielten wir ein Ausgangssignal in Form einer Spannung. Diese Spannung lieferte jedoch nicht direkt Informationen über die Zugkraft. Daher mussten wir die DMS kalibrieren, um einen Umrechnungsfaktor für die Ausgangsspannung zu ermitteln, mit dem die tatsächliche axiale Kraft im Rohr in SI-Einheiten umgerechnet werden konnte.
Die Kalibrierung erfolgte an der Fakultät für Maschinenbau der Universität Ljubljana mit einer servohydraulischen Prüfmaschine im Labor für Maschinenelemente (LASEM). Die Kalibriergenauigkeit betrug ±5 N. Wir erhöhten die aufgebrachte Kraft in Schritten von 400 N bis zu einem Maximalwert von etwa 3 kN. Dann reduzierten wir die Kraft in denselben Schritten wieder. Dieses Verfahren ermöglichte auch die Überprüfung auf Hysterese, also das verzögerte oder unvollständige Zurückkehren eines Materials in seinen Ausgangszustand nach Entlastung.
Das Ergebnis der Kalibrierung war ein Stufendiagramm, das optisch an eine Pyramide erinnert. Zum Abgleich dieser Messdaten mit der tatsächlich während der Kalibrierung aufgebrachten Kraft verwendeten wir Python-Skript. Die resultierenden Werte speicherten wir anschließend im Datenerfassungssystem, um die gewünschte Zugkraft in den Querlenkern direkt als Ausgabewert zu erhalten.
Abb. 14 zeigt die für einen DMS an einem bestimmten Querlenker der Radaufhängung verwendeten Einstellungen. Für den Offset übertrugen wir zwei Datenpunkte aus dem Python-Skript in die Kanaleinstellungen. Das System berechnete daraus automatisch den Offset und kalibrierte den Dehnungsmessstreifen entsprechend.
Messung und Analyse
Nach Abschluss der Kalibrierung wurden die Sensoren mit Schrumpfschläuchen vor äußeren Einflüssen geschützt. Dann bauten wir die Querlenker wieder in den Rennwagen ein und verbanden die Sensoren mit dem Datenerfassungssystem und der Batterie, die wir im Fußraum unter den Beinen des Fahrers installiert hatten. Der erste Test fand auf dem Universitätscampus statt, wo wir für diesen Zweck speziell eine Strecke eingerichtet hatten, die sich am Streckenlayout typischer Formula-Student-Rennen orientierte. Wir testeten die Belastungsbedingungen bei möglichst hohen Kurvengeschwindigkeiten, bei voller Beschleunigung und bei starkem Abbremsen.
Kräfte in den Querlenkern
Die nachfolgende Abbildung zeigt die in der Radaufhängung des Rennwagens über einen Zeitraum von ca. 200 Sekunden gemessenen Kraftwerte. Da von einem erheblichen hochfrequenten Rauschanteil im Messsignal auszugehen war, verwendeten wir einen Tiefpassfilter mit einer Grenzfrequenz von 40 Hz. Diese Filterung sorgte für ein klareres Signal und ermöglichte die zuverlässige Erfassung der für die Schadensbewertung im Rahmen von Lastkollektivstudien relevanten Lastzyklen.
Die aufgezeichneten Daten wiesen eine sehr hohe Ereignisdichte auf. Da wir auf einer Strecke mit engen Kurven und kurzen Geraden testeten, auf der wir keine höheren Geschwindigkeiten als 70 km/h erreichen konnten, konnten wir die Abtastfrequenz entsprechend reduzieren. Nachdem wir die Daten vom Rauschen befreit und weitere Analysen durchgeführt hatten, zeigte sich, dass eine Abtastfrequenz von 1000 Hz ausreichend war, die wir zur Vereinfachung der Datenverarbeitung dann auch verwendeten.
Da Kraftmessungen allein nur begrenzte Rückschlüsse auf die Belastbarkeit eines Bauteils zulassen, ist es sinnvoller, zusätzlich die auftretenden Spannungen zu analysieren. DewesoftX bietet hierfür verschiedene mathematische Tools zur Offline-Signalverarbeitung, mit denen sich die axialen Spannungen in den Querlenkerrohren berechnen lassen. Dazu verwendeten wir für jedes gemessene Kraftsignal eine einfache Formel.
Obwohl wir uns dafür entschieden, die weitere Datenverarbeitung mit der Rainflow-Berechnung in Python durchzuführen, soll erwähnt sein, dass auch DewesoftX die Möglichkeit zur Rainflow-Analyse bietet.
Mithilfe eines einfachen Algorithmus konnten wir lokale Spitzen und Tiefen bzw. Wendepunkte im gefilterten Signal identifizieren, die als Grundlage für die weiterführende Analyse der Lastkollektive dienten.
Rainflow-Analyse
Im Kontext hochzyklischer Ermüdung stehen mehrere Methoden zur Analyse des Lastverlaufs zur Verfügung. Eine dieser Methoden ist die Rainflow-Analyse, die dazu dient, Lastzyklen aus dem Spannungs-Zeit-Signal zu extrahieren. Anschließend lässt sich berechnen, in welchem Maße diese Zyklen zur Gesamtschädigung eines Bauteils beitragen. Die Analyse besteht aus sechs Hauptschritten:
Schritt 1
Zunächst werden die Daten gefiltert, um das möglicherweise in den Messwerten enthaltene Rauschen zu eliminieren. Hier geht es darum, nur niederfrequentes Rauschen zu entfernen, da ein Hochpassfilter das Signal bzw. die Lastzyklen verfälschen würde. Das Signal wird typischerweise als Spannung dargestellt.
Schritt 2
Als Nächstes werden lokale Maxima und Minima ermittelt (Peak-Valley-Analyse). Diese liefern die Wendepunkte des Signals, die für die Erkennung der Lastzyklen wesentlich sind.
Schritt 3
Größere Lastwechsel bzw. Kraftänderungen mit höheren Amplituden verursachen die größten Ermüdungsschäden. Daher ist es sinnvoll, kleinere Zyklen mit geringem Schadensbeitrag bei der Analyse zu vernachlässigen. Um dies zu gewährleisten, unterteilen wir den Spannungsbereich des Signals in Klassen („Binning“).
Die Klassengröße muss so gewählt werden, dass vernachlässigbare Kleinzyklen herausgefiltert werden, darf jedoch nicht zu groß sein, da dies die Spannungsamplituden der einzelnen Zyklen und damit deren Beitrag zur Schädigung signifikant verzerren würde. Da unser Lastkollektiv von +50 MPa bis -310 Mpa reicht, wählen wir eine Klassengröße von 5 MPa. Die Abb. 21 und 22 zeigen das Ergebnis dieses Binning-Prozesses:
Schritt 4
Es folgt der zentrale Teil der Analyse – die Zyklusextraktion. Der Algorithmus untersucht vier aufeinanderfolgende Wendepunkte des Signals. Die Rainflow-Methode basiert auf folgenden Regeln zur Zykluserkennung:
Wähle vier aufeinanderfolgende Signalpunkte S1, S2, S3, S4.
Berechne die Spannungsdifferenz |S2 – S3|.
Berechne die Spannungsdifferenz |S1 – S4|.
Wenn |S2 – S3| ≤ |S1 – S4| ist und die Punkte S2 und S3 innerhalb von S1 und S4 liegen, wird ein Zyklus gezählt.
Wenn |S2 - S3| ≥ |S1 - S4| und die Punkte S2 und S3 nicht innerhalb von S1 und S4 liegen, wird kein Zyklus gezählt.
Für eine detailliertere Erläuterung der Rainflow-Methode verweisen wir auf die Rainflow-Zählung.
Schritt 5
Nach der Zyklusextraktion aus dem Signal erhalten wir ein Lastmuster, aus dem bereits Zyklen entfernt wurden (Residuum). Dieses Residuum wird dupliziert bzw. an sich selbst angehängt (Residuum + Residuum), um ein neues Muster zur Zyklusentfernung zu erzeugen. In diesem Schritt werden die signifikantesten Lastzyklen erfasst, die am meisten zum Gesamtschaden beitragen. Sobald diese Zyklen entfernt sind, kann eine Rainflow-Matrix erstellt werden.
Schritt 6
Die entlang der Diagonale dieser Matrix liegenden Zyklen repräsentieren kleine Lastwechsel, die nur geringfügig zur Gesamtschädigung beitragen. Die Punkte in der oberen linken und unteren rechten Ecke entsprechen hingegen viel größeren Zyklen, die einen wesentlich höheren Anteil der Schädigung verursachen. Die Matrixwerte formen ein Parallelogramm – je schmaler dieses ist, desto größer ist der Anteil hochbelastender Zyklen.
Nachdem wir das Lastkollektiv der Querlenker bestimmt haben, können wir abschätzen, wie lange diese halten werden. Außerdem können wir sie nach einer bestimmten Anzahl von Kilometern auf Beschädigungen untersuchen. Die Lebensdauer eines Formula-Student-Rennwagens beträgt etwa 4 bis 6 Monate, in denen bis zu 1500 km zurückgelegt werden. Die meisten FSAE-Autos erreichen in der Praxis allerdings höchstens 500 km.
Das untersuchte Lastkollektiv umfasst einen Zeitraum von 760 Sekunden. Während der Messung legten wir 10,55 km bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h zurück. Um die gesamte Lebensdauerbelastung eines Fahrzeugs über 1500 km abzubilden, müssen wir das gewählte Lastkollektiv 142 Mal wiederholen.
Bei Kenntnis der Wöhlerkurve des Werkstoffs 25CrMo4 lässt sich die Schädigung mittels der Haighschen Regel berechnen. Die Wöhlerkurve bezieht sich auf eine Wechselbeanspruchung mit einer Mittelspannung von 0 MPa. Wir müssen für jeden Zyklus eine äquivalente Spannung ermitteln, die in die Schadensberechnung einfließt.
Die Haighsche Regel besagt, dass, wenn die äquivalente Spannung eines Zyklus die Ermüdungsfestigkeit des Werkstoffs bei R = -1 (Wechselbeanspruchung) übersteigt, sich die Anzahl der äquivalenten Lastzyklen wie folgte berechnet:
Liegt die äquivalente Belastung unterhalb der Ermüdungsfestigkeit, dann wird eine spezifische Gleichung herangezogen, bei der N(D=0) auf 2.000.000 gesetzt und der berechnete Wert dann für kkk verwendet wird. Mit diesen beiden Gleichungen lässt sich für jeden Lastzyklus die Anzahl der Zyklen bis zur kritischen Schädigung ermitteln. Aus der Rainflow-Analyse ist zudem die Häufigkeit dieser Zyklen über die Lebensdauer der Aufhängung bekannt.
Anhand dieser Informationen können wir den Schädigungsanteil jedes Zyklus und daraus den Gesamtschaden über die Lebensdauer ermitteln. Für die kumulative Schädigung wenden wir die Palmgren-Miner-Regel (lineare Schadensakkumulation) an. Den Schadensbeitrag jeden Zyklus berechnen wir mit:
Dabei ist ni die Anzahl der Wiederholungen eines bestimmten Lastzyklus und Ni die Anzahl der Zyklen bis zur kritischen Schädigung für diesen Lastzyklus. Der Gesamtbeitrag zur Schädigung ergibt sich aus der folgenden Gleichung:
Bei einmaliger Wiederholung des analysierten Lastkollektivs (10,55 km) beträgt der Beitrag zur Schädigung demnach 1,43∙10-5 = 0,00143 %, und nach 1500 km oder 142 Wiederholungen ergibt sich eine kumulative Schädigung von 2,0306∙10-3 = 0,203 %.
Moment an der Lenkwelle
Wir ermittelten die wirkende Kraft durch die Messung der Verformung der Lenkstange, was uns die Berechnung des Moments an der Lenkwelle anhand der nachstehenden Gleichung ermöglichte. Bei Verfügbarkeit von Lenkwinkeldaten hätten wir auch den Einfluss des Kreuzgelenks berücksichtigen können. Eine gleichzeitige Aufzeichnung der Daten beider Sensoren war jedoch nicht möglich. Das auf der bekannten Kraft basierende Moment berechnet sich wie folgt:
Der Winkel zwischen Zahnstange und Lenkstange ändert sich mit der Drehung des Lenkrads. Da der maximale Winkel jedoch lediglich 8° beträgt, können wir die Kleinwinkelnäherung anwenden: cos(θ)≈1\cos(\theta) \approx 1cos(θ)≈1.
Wie bei den Messungen der Aufhängungskräfte verwendeten wir auch hier einen Tiefpassfilter mit einer Grenzfrequenz von 50 Hz. Die gefilterten, rauschfreien Daten sind unten dargestellt. Im Signal verblieben jedoch signifikante Störungen, deren Ursprung wir bislang nicht vollständig klären konnten. Die Messungen erfolgten mit einer Abtastfrequenz von 1000 Hz.
Wir erfassten das Moment sowohl an der linken als auch an der rechten Spurstange und verwendeten dann die Gleichung zur Berechnung des Lenkwellenmoments, die im Programm wie folgt implementiert ist:
Der Graph in Abb. 29 zeigt das Ergebnis der Momentberechnung mit der oben beschriebenen Funktion. Für einen FSAE-Rennwagen liegt das empfohlene Lenkmoment (laut Claude Rouelle) im Bereich zwischen 5 und 10 Nm. In unserem Fall erreichte das Moment jedoch stellenweise 25 Nm, also das 2,5-Fache des empfohlenen Wertes. Diese Messungen bestätigen die Fahrerrückmeldungen über die kraftaufwändige Betätigung des Lenkrads, die zu rascher Ermüdung führt und das Einhalten konstanter Rundenzeiten bei längeren Rennen, wie etwa der Endurance-Disziplin, erschwert.
Für die nächste Saison planen wir eine Anpassung der Vorderradaufhängung, um das Lenkmoment zu reduzieren. Der Fokus liegt dabei auf dem Nachlaufwinkel, der den mechanischen Nachlauf beeinflusst. Die Änderung wirkt sich auf den Hebelarm der vom Reifen ausgehenden Seitenkraft aus, die um die Raddrehachse wirkt und dabei ein Moment erzeugt.
Durch die gezielte Verringerung dieses Moments können die Lenkstangenkräfte und somit auch das resultierende Lenkmoment reduziert werden. Sollte zudem das Maß des Ritzels der Zahnstange geändert werden, dann muss der entsprechende Effekt ebenfalls berücksichtigt werden.
Fazit
Die Messungen haben dem Team zahlreiche neue Erkenntnisse geliefert, die sowohl zur Verbesserung einzelner Bauteile als auch zu einem besseren Verständnis der Belastung in der Aufhängung beitragen. Wir optimierten die Querlenkerrohre unter Verwendung des gleichen Werkstoffs (25CrMo4) von 15 mm auf 14 mm Außendurchmesser und von 1,5 mm auf 1 mm Wandstärke. Die Messergebnisse dienten zudem als Grundlage für die Untersuchung von Klebeverbindungen bei Querlenkern aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK).
Die Messung der Verformung der Pushrod lieferte wertvolle Daten zu den auf die Reifen wirkenden Kräfte. Das hilft uns, unser Reifenmodell zu validieren und die Bodenhaftung effizienter auszunutzen. Für die Umsetzung würden wir zusätzliche Sensoren, darunter eine inertiale Messeinheit (IMU), benötigen. Durch die Kombination von IMU, Lenkwinkelsensor und Fahrhöhenmessung (über Aufhängungswinkel- oder Fahrhöhensensoren) könnten wir aber wertvolle Einsichten in die Nutzung des verfügbaren Grips gewinnen, die einen Schlüsselfaktor für die Fahrzeugperformance darstellt.
Wir möchten uns bei Dewesoft für die Unterstützung bedanken. Der Zugang zu modernster Messtechnik ist für uns als Team wie auch als Studierende eine wertvolle Ressource zur Kompetenzentwicklung.
Ebenso danken wir HBM Corporation und TRCPro d.o.o. für die Bereitstellung von 20 DMS-Rosetten (Dehnungsmessstreifen). Ohne ihre Unterstützung wären die Messungen nicht realisierbar gewesen.
Referenzen und Literatur
Brecelj, Matevž: Razvoj merilnega sistema za merjenje sil in zasukov v podvozju vozila Formula Student. Univerza v Ljubljani, Fakulteta za strojništvo, 2020.
Cingerle, Ale:. Razvoj krmilnega mehanizma za dirkalno vozilo Formula Student. Univerza v Ljubljani, Fakulteta za strojništvo, 2020.
Nagode, M.: Zapiski predavanj obratovalna trdnost. Univerza v Ljubljani, Fakulteta za strojništvo, 2024.
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Mohamed, E. A. A. ; Yusuff, M. A. ; Wahab, D. A.: "Application of Rainflow Cycle Counting in the Reliability Prediction of Automotive Front Corner Module System," in Proceedings of the International Conference on Industrial Engineering and Engineering Management, Beijing, China, 21.–23. Okt. 2009. Verfügbar unter: Application of rainflow cycle counting in the reliability prediction of automotive front corner module system | IEEE Conference Publication | IEEE Xplore. DOI: 10.1109/ICIEEM.2009.5344498.