Carsten Frederiksen / Magnus Skärhem (business unit manager und leiter des AFRY Test Centers)

Freitag, 3. Februar 2023 · 0 min read

by AFRY Test Center

Zugbremsleistungstests unter winterlichen Bedingungen

Im Auftrag eines schwedischen Güterverkehrsunternehmens hat das schwedische AFRY Test Center in Nordschweden die Bremsleistung von Zugverbänden getestet. 

Dazu wurde Anfang 2020 ein Zugverband mit Güterwagen mit Bremsklötzen (Bremssohlen) verschiedener Typen ausgestattet, um deren Bremsleistung unter winterlichen Bedingungen zu vergleichen. Außerdem wurden einige Referenztests mit Scheibenbremsen an Güterwagen durchgeführt. 

Die Dehnungs- und Temperaturmessung erfolgte mit robusten, verteilten KRYPTON-Datenerfassungseinheiten, während die einfach zu bedienende Software DewesoftX die benötigten Ergebnisse lieferte.

Einleitung

Im Jahr 2019 wurde das AFRY Test Center von einem schwedischen Güterverkehrsunternehmen beauftragt, es mit messtechnischem Know-how bei der Abbildung der Bremswirkung bei Güterzügen bei Fahrten unter unterschiedlichen winterlichen Bedingungen zu unterstützen.

Das AFRY Test Center wurde vor über 30 Jahren gegründet und ist eines der größten unabhängigen Testlabore in Schweden. Seine Prüfaufträge erfüllt das AFRY Test Center in einem eigenen, gut ausgestatteten Labor im schwedischen Borlänge. Messaufträge werden als Feldtests an verschiedenen Orten inner- und außerhalb Schwedens sowie unter Durchführung diverser Tests in der Laborumgebung abgewickelt. 

Das Testzentrum ist Teil von AFRY, einem internationalen Engineering-, Planungs- und Beratungsunternehmen, das 17 000 engagierte Experten beschäftigt und in mehr als 40 Ländern in aller Welt tätig ist. AFRY ist in die fünf Geschäftsbereiche Infrastruktur, Industrielle und digitale Lösungen, Prozessindustrie, Energie und Unternehmensberatung gegliedert, die Dienstleistungen in drei Hauptsektoren anbieten: Infrastruktur, Industrie und Energie.

Das Test Center ist eine Geschäftseinheit des Bereichs Industrielle und digitale Lösungen, deren Tätigkeit im Wesentlichen drei Bereichen umfasst, nämlich Messung, Test und Analyse und Simulation.

Unsere Kunden kommen aus allen möglichen Industriebranchen, und das Auftragsspektrum reicht von der Verifikation von Komponenten bis hin zu Tests an Schiffen, Prozessanlagen und Fahrzeugen aller Art. Da die Aufgaben sehr unterschiedlich sind, ist es wichtig, dass die Ausrüstung im AFRY Test Center einfach zu bedienen, flexibel und langlebig ist. Aus diesem Grund verwenden wir bereits seit vielen Jahren Hard- und Software von Dewesoft.

Abb. 1: Der getestete Güterzug

EU-Vorschriften für Lärmemissionen des Eisenbahnsystems

Hintergrund dieses Bremsentestauftrags ist, dass Lärm ein wichtiges Thema der öffentlichen Gesundheit ist und negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen haben kann. Der Lärm von Güterwagen, insbesondere von Wagen mit Grauguss-Bremssohlen, trägt am meisten zum Schienenverkehrslärm bei.

In Bezug auf die Lärmbelastung durch den Schienenverkehr in Europa hat die Europäische Union Änderungen an der Verordnung (EU) Nr. 1304/2014 (TSI Lärm) der Europäischen Kommission empfohlen, um die derzeit für neue Güterwagen geltenden maximalen Schalldruckpegel auch auf bereits vorhandene Waggons anzuwenden. Die vorgeschlagenen Änderungen würden bedeuten, dass Grauguss-Bremssohlen auf „Flüsterbremsen“ (Komposit-Bremssohlen oder Scheibenbremsen) umgerüstet werden müssen, wobei Komposit-Bremssohlen die kostengünstigere Alternative darstellen.

Der Kunde hat die Auswirkungen der vorgeschlagenen Änderungen auf das schwedische Schienennetz untersucht. Dort würden sie zwar einen Lärm mindernden Effekt haben, andererseits aber auch zu einer finanziellen Belastung der Wagenhalter und der Güterverkehrsunternehmen, die die Wagen in Betrieb haben, führen.

Tests haben gezeigt, dass Komposit-Bremssohlen unter harten winterlichen Bedingungen einen Teil ihrer Bremsleistung verlieren. Dieser Verlust kann durch betriebliche Maßnahmen teilweise ausgeglichen werden. Die Eisenbahnunternehmen werden Züge aus Kontinentaleuropa, deren Wagen mit Komposit-Bremssohlen ausgerüstet sind, bei ihrem Eintreffen in Schweden um weitere Wagen mit Grauguss-Bremssohlen ergänzen müssen, um ein akzeptables Bremsleistungsniveau zu gewährleisten. Darüber hinaus wird die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h gesenkt werden müssen, was eine weitere Kapazitätsverringerung des bereits gesättigten Eisenbahnnetzes zur Folge haben wird.

Der Auftrag stellte das AFRY Test Center vor verschiedene Herausforderungen, allen voran die klimatischen Bedingungen mit strenger Kälte, Eis und Schnee, aber auch die hohe Feuchtigkeit bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Außerdem erforderte die Länge des Zugverbands eine Signalübertragung über relativ große Distanzen und die Möglichkeit zur Verteilung diverser Komponenten des Messsystems auf verschiedene Wagen. Der Auftrag verlangte außerdem, bei jedem Testfall die Position und Geschwindigkeit des Zuges sowie die aktuellen Wetterbedingungen zu dokumentieren.

Um die gewünschten Tests und Messungen durchführen zu können, wurde ein Messsystem benötigt, das

  • eine sehr gute Umweltbeständigkeit aufweist und 

  • die Möglichkeit bietet, die Datenerfassungsgeräte an verschiedenen Stellen im Zugverband zu verteilen. 

Da die raue Außenumgebung auch eine Herausforderung für unser Testteam darstellte, musste das System unter den gegebenen Bedingungen außerdem einfach zu bedienen und zu installieren sein.

Im AFRY Test Center haben wir bereits seit vielen Jahren Geräte von Dewesoft im Einsatz. So lag es für uns auf der Hand, zu prüfen, ob Dewesoft auch in der Lage wäre, in Schweden ein geeignetes Messsystem für diesen Auftrag anzubieten. Da das Testpersonal bereits mit den Dewesoft-Geräten und ihrer Handhabung vertraut war, wurde dieser Aspekt bei der Auswahl des Lieferanten berücksichtigt.

Abb. 2: Der Testaufbau: in Reihe verbundene KRYPTON-Datenerfassungsmodule von Dewesoft

Der Messaufbau

Dewesoft Schweden wurde um eine flexible Messlösung ersucht, die in der Lage sein sollte, den rauen klimatischen Bedingungen des skandinavischen Winters mit niedrigen Temperaturen, Schnee und Eis, den Vibrationen usw. standzuhalten.

Eine weitere Herausforderung an den Messaufbau bestand darin, dass der Zug in beide Richtungen fahren würde, also von Norden nach Süden und umgekehrt. Der Testtechniker sollte einen minimalen Arbeitsaufwand haben und lediglich den Mess-Laptop zur anderen Lokomotive bringen müssen. Mit anderen Worten: Die Messkette sollte bei der Fahrt in beide Richtungen funktionieren, ohne dass Anpassungen am Aufbau erforderlich wären.

Die Lösung bestand in einer Reihe von KRYPTON-Modulen, die zur Messung von Dehnung und Temperatur in Reihe verbunden wurden. Dabei kamen zwei KRYPTON-8xTH- und zwölf KRYPTON-6xSTG-Datenerfassungsmodule in Kombination mit ECAT-Power-Injector- und ECAT-Power-Junction-Modulen zum Einsatz. Außerdem wurde ein GPS-Empfänger von Dewesoft verwendet, um die Position des Zuges zu erfassen.

Abb. 3: Testlayout im Zugverband (fünf Wagen mit je einer Lokomotive an jedem Ende). Die Krypton-Module sind in den Wagen 3-5 verteilt. Zur Gewährleistung der Versorgung und der Messungen in beide Fahrtrichtungen werden ECAT-Power-Injector- und ECAT-Power-Junction-Module verwendet.

Der komplette Aufbau wurde von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Dewesoft in Slowenien simuliert und getestet, um sicherzustellen, dass er wie von AFRY gefordert funktionieren würde.

KRYPTON ist ein robustes verteiltes EtherCAT-Datenerfassungssystem für Feldmessungen in extremen und rauen Umgebungen. Die KRYPTON-Module haben die Schutzart IP67, sind für extreme Temperaturen im Bereich zwischen zwischen -40 °C und +85 °C geeignet und bieten eine hohe Schockfestigkeit.

KRYPTON-Datenerfassungsmodule werden mit einem einzigen Kabel für Daten, Strom und Synchronisation angeschlossen. Sie können über große Flächen verteilt werden, wobei Entfernungen bis zu 100 Meter zwischen den einzelnen Datenerfassungsknoten möglich sind.

Alle KRYPTON-Module werden mit der Datenerfassungssoftware DewesoftX – einschließlich lebenslang kostenloser Upgrades – geliefert. Die Software ist benutzerfreundlich und trotzdem ausgesprochen leistungsfähig.

Abb. 4. Screenshot der Messung während der Bremsung aller Einheiten des Zugverbands. Das untere Fenster zeigt die Rohdaten der Dehnungsmessstreifen, das obere den Druck auf die Bremsen und die Zuggeschwindigkeit.

Als Video exportierte DewesoftX-Messdatendatei

Fazit

Da AFRY eine knappe Frist einzuhalten hatte, war die Lieferzeit bei diesem Projekt von entscheidender Bedeutung und eine enge Zusammenarbeit zwischen AFRY und Dewesoft besonders wichtig. Dewesoft unterstützte AFRY bei der Spezifikation der Anforderungen und der Konfiguration des Messaufbaus.

Dann lieferte Dewesoft eine robuste Datenerfassungslösung, die in der Lage war,

  1. dem rauen Klima standzuhalten und 

  2. dank der EtherCAT-Technologie, die Dewesoft in der KRYPTON-Produktlinie einsetzt, ohne Neukonfiguration des Messaufbaus in beide Fahrtrichtungen gleichermaßen gut zu funktionieren.

Dadurch wurden Verzögerungen der Zugabfahrten aufgrund technischer Probleme oder notwendiger Konfigurationsänderungen bei Richtungs- bzw. Lokomotivwechseln verhindert, und der Stress für den Prüftechniker reduzierte sich erheblich. 

Die anwenderfreundliche Bedienoberfläche der Software macht deren Benutzung ausgesprochen einfach. Die Datenerfassungshardware von Dewesoft war mühelos und schnell zu installieren und dennoch in der Lage, den rauen klimatischen Bedingungen in Schweden standzuhalten. Die KRYPTON-DAQ-Module wurden speziell für diesen spezifischen Testauftrag angeschafft, werden aber auch bei weiteren Projekten zum Einsatz kommen, da sie mit den anderen Datenerfassungssystemen von Dewesoft kompatibel sind.

Da es sich hier um eine nicht alltägliche Messung handelte, war es wichtig, den erforderlichen Messaufbau und die Herausforderungen für den Kunden zu verstehen. Wir waren sehr zufrieden mit dem Endergebnis, der Stabilität des Systems und dem Umfang der Unterstützung für die Testtechniker.  Und wer weiß, womöglich wird AFRY noch weitere Messungen durchführen und dafür den Testaufbau erweitern müssen.