Vid Selič

Samstag, 8. April 2023 · 0 min read

by Aeronautics and Space Institute (IAE), DCTA

Strukturprüfung eines Raketennasenkegels mittels Sinusverarbeitung

Am brasilianischen Institut für Luft- und Raumfahrt (IAE), DCTA werden im Rahmen des Standardtestverfahrens strukturdynamische Tests, wie Sinusverarbeitung, SRS und Modalanalyse, an verschiedenen Komponenten von Trägerraketen durchgeführt. In unserem konkreten Fall wurde eine Raketenspitze auf einem Shaker mit Sinusverarbeitung getestet.

Die Software DewesoftX verbesserte die Zeiteffizienz und die Qualität der erfassten Daten, indem sie die Echtzeitberechnung durch eine spezifische Sinusverarbeitungs-Benutzeroberfläche unterstützte.

Das brasilianische Departamento de Ciência e Tecnologia Aeroespacial (DCTA) (Departement für Luft- und Raumfahrtwissenschaft und -technologie) befindet sich in São José dos Campos, dem größten Luft- und Raumfahrtkomplex in Lateinamerika. 

Das DCTA dient als nationales brasilianisches Militärforschungszentrum für Luft- und Raumfahrt, ist der  brasilianischen Luftwaffe (FAB) unterstellt und koordiniert alle technischen und wissenschaftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Luft- und Raumfahrtsektor, die für das Verteidigungsministerium von Interesse sind.

Die Tests fanden am Instituto de Aeronaútica e Espaço (IAE)(Institut für Luft- und Raumfahrt) statt. Dieses Institut entwickelt und realisiert Projekte in den Bereichen Luftfahrt, Luftraum und Verteidigung und ist mitverantwortlich für die Durchführung der brasilianischen Raumfahrtmission.

Dewesoft Sinusverarbeitungs-Präsentationsvideo

Das Problem

Die in diesem konkreten Strukturtest getestete Raketenspitze spielt eine wichtige Rolle bei den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für die TEXUS-Missionen – ein Sondierungs- oder Forschungsraketenprogramm in Verbindung mit den Mikrogravitationsprogrammen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR).

Die Beteiligung des IAE an den TEXUS-Missionen steht in erster Linie im Zusammenhang mit der Entwicklung von Trägerraketen für die Erforschung der Eigenschaften und des Verhaltens von Werkstoffen, Chemikalien und biologischen Substanzen unter Bedingungen der Schwerelosigkeit (Mikrogravitation). Bei jedem Start gibt es eine etwa sechs Minuten lange Mikrogravitationsphase.

In diesem Fall musste das IAE die Resonanzfrequenzen seiner Raketenspitze messen, um einen Betrieb mit Frequenzen zu vermeiden, die die strukturelle Integrität gefährden und zu einem Scheitern der Mission führen könnten.

Dafür wurde ein zuverlässiges Datenerfassungssystem benötigt, das in der Lage sein musste, den definierten Antwort- und Übertragungsfunktionsbereich in Echtzeit zu verfolgen und zu berechnen.

Sinusverarbeitungs- und Sinus-Datenreduktions-Testfall

Die Sinusverarbeitung ist ein Werkzeug zur Durchführung struktureller Tests an großen Strukturen. Ein solcher Testansatz wird in der Luft- und Raumfahrtindustrie häufig zur Designvalidierung und -qualifizierung verwendet und erfordert in der Regel Hunderte von Eingangskanälen.

Per Definition gibt es hierbei keinen Raum für Fehler; alle Strukturen, die bei einer Mission zum Einsatz kommen, müssen vorher sorgfältig getestet werden, um einen ordnungsgemäßen Betrieb und eine uneingeschränkte strukturelle Integrität zu gewährleisten.

Bei der Anregung ergeben sich verschiedene Resonanzfrequenzmodi

Die Evaluierung solcher großen Strukturen erfolgt durch ihre Anregung mit einem Sweep von Einzelfrequenzen auf einem Shaker. Beim Sinus-Sweep-Schwingungstest erfolgt ein Sweep von niedrigen zu hohen Frequenzen oder umgekehrt. Der Test dient dazu, Resonanzen im Bereich des Sweeps zu identifizieren, indem die Antwortschwingungen des Produkts mit den Schwingungen auf dem Shaker-Schwingtisch verglichen werden.

Als gewünschten Output liefert die Sinusverarbeitung

  • Strukturresonanzfrequenzen, 

  • Amplituden, 

  • Phase, 

  • die totale harmonische Verzerrung (THD) der Antwortsensoren sowie 

  • Übertragungsfunktionen zwischen Anregungs- und Antwortpunkten. 

Zur Bewertung der zu prüfenden Struktur im betreffenden Frequenzbereich ist es wichtig, diese Parameter mit Präzision aus dem Sinussignal zu extrahieren.

Die Sinusverarbeitung verwendet ein COLA-Signal (Constant Output Level Adaptor) zur Berechnung der Momentanfrequenz und zieht dann bei dieser Frequenz die Amplitude und die Phase aus den Beschleunigungssensoren. Der COLA-Signalausgang synchronisiert das Schwingerreger-Kontrollsystem mit dem Datenerfassungssystem.

Am IAE/DCTA wurden zur Datenerfassung das SIRIUS-Datenerfassungssystem von Dewesoft und die Datenerfassungssoftware DewesoftX mit dem Sinusverarbeitungs-Plugin eingesetzt. 

Beim Sinusverarbeitungs-Test wird das Dewesoft-Datenerfassungssystem mit dem Shaker-Controller (Fremdgerät) synchronisiert. Das Sinusverarbeitungs-Tool von Dewesoft verwendet zur Frequenzerfassung eine der beiden folgenden Methoden:

  1. Nulldurchgangsverfahren oder 

  2. Hilbert-Transformation.

Die von Beschleunigungsmessern, die an der Raketenspitze angebracht sind, erfassten Signale werden zusammen mit der Sweep-Frequenz gemessen, die mit Hilfe des COLA-Signals ermittelt wird. Dann werden sie in Echtzeit berechnet, um einen detaillierten Einblick in die Reaktion der Struktur auf die Anregung zu erhalten.

Test- und Messanordnung

Um für den Kunden relevante Ergebnisse zu gewährleisten, war es wichtig, einen Sinus-Sweep-Test im Bereich 25–1000 Hz durchzuführen, also im typischen Schwingungsfrequenzbereich, denen eine Raketenspitze während des Transports, Starts und Fluges ausgesetzt ist. 

Für die Datenerfassung verwendeten wir ein System mit zwei SIRIUSi-HD-16xACC-Slices. Dieses Datenerfassungssystem bot insgesamt 32 IEPE-Beschleunigungssensor-Eingänge. Dasselbe System ermöglicht es dem IAE/DCTA auch, andere Messaufgaben durchzuführen und bietet zudem die Option, die Anzahl der Eingangskanäle einfach zu erweitern. Zusätzliche Eingänge (IEPE, Spannung, Temperatur, Dehnungsmessstreifen und andere) können bei Bedarf problemlos hinzugefügt werden, um ein hochkanaliges System zu bilden.

SIRIUSi-HD-16xACC Datenerfassungssystem mit 16-Kanal-IEPE/Spannungs-Analogeingang von Dewesoft

Um die wahre Stärke der Sinusverarbeitungslösung von Dewesoft zu verdeutlichen, führten wir gleichzeitig mit der Sinusverarbeitung eine 1/3-Oktav-Analyse und eine echte FFT mit einer Auflösung von 4096 Linien (die wählbare Auflösung erlaubt bis zu 64 000 Linien) auf 31 Kanälen durch. Die einzige Ausnahme war der Eingangskanal, der für das COLA-Signal vom Shaker-Controller verwendet wurde.

Die Sinusverarbeitung selbst findet innerhalb der Datenerfassungssoftware DewesoftX statt, die auch die Möglichkeit bietet, andere nützliche Parameter zu erfassen und zu messen, wie etwa die Testumgebungsbedingungen oder Hochgeschwindigkeitsvideos, die es erlauben, die Bewegungen des Prüflings während des Tests zu registrieren.

Um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen, wurden acht triaxiale Beschleunigungssensoren in einer bestimmten Anordnung an der Raketenspitzenstruktur (Außenabmessungen 874 mm x 1830 mm) befestigt. 

Dabei handelte es sich um fünf triaxiale Beschleunigungssensoren von Brüel & Kjaer und drei von PCB. Sieben dieser Sensoren wurden außen an der Struktur platziert und einer (PCB) als Referenzsensor am Adapter, der zur Befestigung der Raketenspitze am Schwingtisch diente.

DualCoreADC – Hochdynamische Datenerfassung

Die SIRIUS-Verstärker verwenden zur Signalkonditionierung zwei 24-Bit-A/D-Wandler. Sie erreichen einen außerordentlichen Dynamikumfang von 160 dB im Zeit- und Frequenzbereich bei einer Abtastrate von 200 kHz pro Kanal. 

Galvanische Trennung

Das Datenerfassungssystem bietet außerdem eine hohe Kanal-zu-Kanal- und Kanal-zu-Masse-Trennung, die eine optimale Signalqualität gewährleistet und unerwünschtes Rauschen, Überspannungsschäden an den Systemen sowie Masseschleifen verhindert. 

Der Prüfling wurde in Richtung der Schwingtischbewegung angeregt, und unser Koordinatensystem war so platziert, dass die y-Achse mit der Anregungsachse ausgerichtet war. 

Testaufbau: Positionierung der Beschleunigungssensoren: sieben auf der zu testenden Raketenspitze, einer auf der am Schwingtisch befestigten Adapterplatte

Das IAE/DCTA verfügte für seine Tests bereits über ein bestimmtes System und führte alle Berechnungen der Übertragungsfunktionen bei der Nachverarbeitung durch. Das Sinusverarbeitungs-Plugin von Dewesoft ist in der Lage, die Berechnung von Übertragungsfunktionen, Phase, RMS, Peak und vielen anderen Parametern in Echtzeit durchzuführen.

In Echtzeit berechnete Ergebnisse sind für das IAE von entscheidender Bedeutung, da Prüflinge wie Trägerraketen und/oder Nutzlasten teuer sind. Die IAE-Ingenieure erhalten einen unmittelbaren Einblick in die gemessenen Parameter der Struktur und können so direkt kontrollieren, ob die Resonanzfrequenzen und die entsprechenden Amplituden innerhalb der erwarteten/prognostizierten Werte liegen.

Testfazit

Die Sinusverarbeitungslösung von Dewesoft ist in Verbindung mit dem leistungsstarken SIRIUS-Datenerfassungssystem in der Lage, große Strukturen in Echtzeit und mit einer unbegrenzten Anzahl von Kanälen zu testen.

Zusätzliche Berechnungen, die nicht zur Durchführung in Echtzeit ausgewählt werden, können im Rahmen der Nachanalyse mit den während der Messung gespeicherten Zeitbereichsdaten durchgeführt werden.

Der IAE-Testingenieur Domingos Strafacci zog folgendes Fazit:

Das System ist wirklich einfach zu bedienen und einzurichten. Es wird uns bei der Durchführung wichtiger Strukturtests dieser Art eine Menge Zeit sparen.

Im konkreten Fall wurde bei der Messung nur ein einziger von vielen Knoten genutzt, die sonst ein größeres System bilden würden. Es ist jedoch zu beachten, dass die Anzahl der Kanäle die Betriebseigenschaften des Systems nicht beeinflusst.

Da die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten des DCTA viele verschiedene Projekte umfassen, kann man dort in hohem Maße von den Vorteilen der strukturellen Tests und der Flexibilität des Dewesoft-Systems profitieren, das für vielfältige Aufgaben geeignet ist, wie die Erfassung von Straßenvibrationsdaten und die Routenverfolgung per GPS, die Modalanalyse an Flugzeugtragflächen oder die SRS-Messung bei Tests der Raketenstufentrennung.

Dr. Edilson Camargo, der am IAE für die dynamischen Tests verantwortlich ist, meint dazu:

Da dieses System sehr flexibel ist, wird es uns ermöglichen, nicht nur die Sinusverarbeitung, sondern eine Vielzahl unserer täglichen Messaufgaben zu bewältigen, und uns so in die Lage versetzen, die Kosten zu optimieren.

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