Dienstag, 7. November 2023 · 0 min read
Messung und Vergleich der Performance von Verbrenner- und Elektromotorrädern
Wer hat nicht schon Sätze gehört wie „Ein Elektrofahrzeug wird nie das gleiche Fahrgefühl bieten wie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor“ oder „Sich völlig geräuschlos mit einem Elektromotor fortbewegen zu können, ist unbezahlbar“? Der Automobilsektor orientiert sich zunehmend in Richtung E-Mobilität, und es ist spannend zu sehen, wie sich dabei zwei unterschiedliche Denkweisen herausgebildet haben.
Für uns bei Dewesoft, wo wir mit unseren Messsystemen schon immer Unternehmen im Forschungs- und Entwicklungssektor unterstützt haben, ist es nur natürlich, dass wir uns auch mit diesem neuen Anwendungsbereich beschäftigen. Also beschlossen wir, die Performance von zwei Motocross-Motorrädern zu vergleichen – einem mit Verbrennungs- und einem mit Elektromotor. Mit Unterstützung eines guten Freundes wollten wir die Frage beantworten: Welches ist denn nun besser?
Motocross ist eine Form des Offroad-Motorradrennens. Die Bezeichnung ist eine Kontraktion des französischen Wortes motocyclette (Motorrad) und des englischen Begriffs cross country (Geländefahrt). Unser Freund Valerio Lata, den wir schon seit Jahren kennen, ist Vertragsfahrer für den österreichischen Motorrad-, Fahrrad- und Sportwagenhersteller KTM und Motocross-Europameister in der EMX-125-Klasse.
Valerio ist in Rom geboren und jetzt fast 17 Jahre alt. Er saß im Alter von fünf Jahren zum ersten Mal auf einem Motorrad und begann mit sieben Jahren Motocross zu fahren. Obwohl er noch sehr jung ist, hat Valerio bereits gezeigt, dass er ein ernsthafter Profi und ein guter Freund der Dewesoft-Familie ist.
In unserem Büro verfolgen wir seine Rennen auf der ganzen Welt, und es bewegt uns immer wieder, seine unglaubliche Entwicklung mitzuerleben und zu sehen, wie er auf seinem Motorrad prestigeträchtige Erfolge erringt. Dieses Jahr kämpft er um den Europameistertitel in der 250er-Klasse, und wir sind sicher, dass er uns wie immer viel Freude bereiten wird!
Als wir an ihn dachten, kam uns die Idee, einen praktischen Vergleich zwischen den beiden Motocross-Motorradtypen anzustellen. Wir schlugen Valerio vor, beide auf der Strecke zu testen, und er antwortete: „Wann immer ihr Jungs von Dewesoft mich anruft, weiß ich schon, dass es Spaß machen wird!“
Nach Valerios Zusage mussten wir nur noch die benötigte Ausrüstung vorbereiten und eine möglichst hohe Genauigkeit der Messungen gewährleisten.
Die größte Herausforderung bestand darin, die Motorräder mit unseren Datenerfassungssystemen auszustatten. Für mich, der ich es schon als kleiner Junge kaum erwarten konnte, mir die Hände schmutzig zu machen, indem ich alle möglichen Fahrzeuge und Motoren zerlegte und umbaute, konnte es keine bessere Gelegenheit geben, mal wieder den charakteristischen Geruch von Benzin und Schmieröl in die Nase zu bekommen.
Die Messanordnung
Wir wollten die beiden Motorräder mit geeigneten Dewesoft-Systemen zur Erfassung von Beschleunigungs-, Geschwindigkeits-, Roll-, Nick- und Gierdaten (Neigung und Schwimmwinkel) sowie Höhendaten ausstatten. Diese Daten würden es uns ermöglichen, die Performance der Motorräder und ihr Fahrverhalten zu bewerten und zu vergleichen.
Die für das Projekt gewählte Messanordnung (siehe Abb. 3) umfasste die folgenden Komponenten:
die brandneue Dewesoft-Inertialplattform Navion2i (siehe Abb. 4),
einen triaxialen Beschleunigungssensor ICP 10 mV/g, 500 g, 2 Hz bis 7 kHz, Modell PCB 356B21,
ein vorpolarisiertes Freifeld-Kondensatormikrofon, 1/2", 50 mV/Pa (+/-1,5 dB), 3,75 Hz bis 20 kHz (+/-2 dB) mit 1/2"-ICP®-Vorverstärker (PCB-426E01) und TEDS-Chip (Modell PCB-378B02),
einen dank seiner geringen Größe perfekt geeigneten Krypton CPU für die Datenerfassung,
ein Krypton-4xACC-Erfassungssystem für dynamische Messungen,
eine Powerbank zur Gewährleistung der Unabhängigkeit von der Stromversorgung des Motorrads,
die Datenerfassungs- und -verarbeitungssoftware DewesoftX,
einen am Brustschutz des Fahrers angebrachten Action-Camcorder zur Aufzeichnung des gesamten Fahrgeschehens und anschließenden – dank der zahlreichen Funktionen der DewesoftX-Software einfachen – Synchronisierung der Videobilder mit den erfassten Daten,
ein Motorrad des Typs KTM 125 mit Verbrennungsmotor,
ein KTM-Elektromotorrad.
Nach der Analyse und Untersuchung der Motorradrahmen wussten wir, wo wir unsere Systeme platzieren konnten. Mit Unterstützung des Teams des Amateursportvereins ASD Motor Racing Vitinia, der eine Motocross-Schule betreibt, nahmen wir die Installation in Angriff.
Da die Dewesoft-Geräte sehr kompakt sind, konnten wir sie schnell und einfach auf engstem Raum installieren. Zunächst brachten wir die beiden GPS-Antennen an. Hierbei war es wichtig, einen Mindestabstand von 1 Meter zwischen ihnen einzuhalten. Dieser Abstand ist im Vergleich zu einigen Konkurrenzsystemen, bei denen mindestens 2,5 Meter erforderlich sind, ausgesprochen gering.
Für die Gewährleistung des erforderlichen Abstands entwickelten wir eine einfache L-Halterung. Diese wurde beim Motorrad mit Verbrennungsmotor am Tankdeckel befestigt und diente zur Montage der Frontantenne (siehe Abb. 5). Beim Elektromotorrad wurde die GPS-Antenne mit 3M-Gewebeklebeband direkt unter dem Bordcomputer am Rahmen befestigt.
Der IEPE-Beschleunigungssensor hingegen wurde unter dem Lenker direkt am Motorradrahmen angebracht (siehe Abb. 7).
Dann machten wir uns daran, die zweite Antenne zu installieren. Hierbei machten wir uns die Steifigkeit der Hinterradkotflügel der Motorräder zu nutze. Diese boten einen hervorragenden Verankerungsgrund, und auch hier verwendeten wir Klebeband zur Befestigung (siehe Abb. 8).
Nach der Platzierung der Antennen nahmen wir die Montage der Navion2i-Messeinheit an der Karosserie des Motorrads in Angriff. Um genaue Messungen zu gewährleisten, musste sie horizontal zum Boden und möglichst in der Nähe des Fahrzeugschwerpunkts angebracht werden.
Um die beschriebenen Anforderungen zu erfüllen, entschieden wir uns dafür, die Navion2i in der Nähe des Luftfilters zu platzieren. Auch in diesem Fall nahm die Installation nur ein paar Minuten in Anspruch.
Nach Entfernung der Kunststoffverkleidung an der Seite der Motorräder hatten wir leichten Zugang zu dem Raum, in dem der Luftfilter untergebracht ist. Die Montage war aufgrund der geringen Größe unseres Geräts dann kein Problem. Mit Kabelbindern und Klebeband war die Navion2i schnell befestigt (siehe Abb. 9).
Nun mussten nur noch der Krypton-CPU-Datenlogger, die Krypton-4xACC-Datenerfassungseinheit und die Powerbank positioniert werden. Hierfür gab es dank der kompakten Abmessungen und des geringen Gewichts der Geräte eine perfekte Lösung, die sowohl die Genauigkeit der Messungen als auch den Komfort des Fahrers gewährleistete.
Die drei Geräte wurden in einem kleinen Rucksack untergebracht (siehe Abb. 10), und die Verkabelung wurde sorgfältig so bemessen, dass sie den Fahrer während der Fahrten in keiner Weise behinderten.
Valerio brauchte nichts weiter zu tun, als den Rucksack aufzusetzen, bevor er auf die Strecke ging (siehe Abb. 11).
Die Messungen auf der Strecke
Auf der direkt vor den Toren Roms gelegenen Motocrossstrecke „Il Tridente di Nettuno“ zog uns dann die Faszination des Motocross in ihren Bann. Das Dröhnen der Motorräder, der mit Adrenalin durchsetzte Staub, die hoch über unsere Köpfe hinwegfliegenden Fahrer ... Es war einfach großartig!
Valerio brachte zuerst das Elektromotorrad und dann das mit Verbrennungsmotor auf die Strecke. Er brauchte praktisch keine Eingewöhnungszeit, um sich mit unserer Messeinrichtung auf seinem Rücken vertraut zu machen, und fuhr sofort eine Reihe schneller Runden.
Sehen Sie sich das Video an:
Die Geräte haben mich beim Fahren nicht gestört, ich habe fast vergessen, dass ich den Rucksack auf den Schultern hatte
berichtete Valerio, als er wieder in der Garage war.
Die Instrumente und die Messanordnung funktionierten perfekt. Dank der DewesoftX-Software standen die erfassten Daten direkt zwischen den einzelnen Fahrten zur Verfügung. So konnten wir die Gültigkeit der durchgeführten Messungen gleich überprüfen und erste Analysen und Bewertungen vornehmen.
Die sofortige Verfügbarkeit der erfassten Daten bietet einen enormen Mehrwert, da sie es ermöglicht, die Messkampagnen unmittelbar anzupassen und zu optimieren und auf Details oder Probleme auszurichten, denen vor Beginn der Testfahrten keine Bedeutung zugemessen wurde oder derer man sich nicht bewusst war.
Die Ergebnisse
Und wow, die Testfahrten weckten Emotionen bei uns – Aufregung, Unglauben und Bewunderung – und lieferten eine Menge harter Daten für die Analyse und zur Reflexion.
Nach den Fahrten sagte Valerio: „Das elektrische Motorrad scheint mit den gemischten Streckenabschnitten besser klarzukommen, aber das mit Verbrennungsmotor erlaubt mir bessere Sprünge. Ich bin wirklich gespannt auf den Vergleich der objektiven Daten, die erfasst wurden, um zu sehen, ob sie mein Gefühl bestätigen!“
Nachdem wir beide Fahrzeuge auf derselben Strecke und mit demselben Fahrer getestet hatten, konnten wir sicher sein, dass die erfassten Daten einen aussagekräftigen Vergleich zwischen den beiden Fahrzeugphilosophien ermöglichen würden.
Zunächst einmal konnten wir mithilfe der Navion2i das unterschiedliche Verhalten der beiden Motorräder aus dynamischer Sicht beschreiben (siehe Abb. 12).
Im Bereich der Beschleunigung (siehe Abb. 13 und 14) verblüffte uns das Verhalten beider Maschinen. Die Drehzahldaten lassen erkennen, dass das Elektromotorrad einen schnellen und unmittelbaren Schub schon bei sehr niedrigen Drehzahlen bietet, während die Benzinmotorausführung bei höheren Drehzahlen eine stärkere Leistung bringt.
Bei der Analyse der Geschwindigkeiten beider Motorräder auf demselben Streckenabschnitt zeigt sich, dass ihre Performance sehr ähnlich ist (siehe Abb. 15).
Eine weitere interessante Tatsache, die wir beobachten können, ist der unterschiedliche Fahrstil des Fahrers auf der elektrischen und der traditionellen KTM. Der erste Teil des Diagramms zeigt, wie Valerio mit dem Benzinmotorrad sowohl am Kurveneingang als auch am Kurvenausgang stärker bremst, während er mit dem elektrischen Gegenstück ruhiger fährt (siehe Abb. 16).
Sicherlich wären solche Beobachtungen vorhersehbar gewesen, aber mit der Navion2i hatten wir die Möglichkeit, diese Unterschiede zu quantifizieren. Das Instrument wird in der Automobilentwicklung im großen Umfang dazu verwendet, die Längs-, Quer- und allgemeine dynamische Performance von Fahrzeugen zu objektivieren.
Die Geräuschanalyse (siehe Abb. 17 und 18) bestätigt hingegen, was wir erwartet hatten: ein „Rumpeln“ auf der einen, ein „Zischen“ auf der anderen Seite. Während Valerio das Elektromotorrad fuhr, war es auffallend, dass die Drohne, die versuchte, mit ihm Schritt zu halten, ein viel lauteres Geräusch verursachte als das Motorrad selbst.
Die Daten bestätigen auch, dass der Verbrennungsmotor bei der Messung des einfachen Schalldruckpegels LAF immer einen deutlich größeren Anteil ausmacht.
Das Diagramm in Abb. 19 vergleicht mithilfe der GPS-Positionsdaten von Navion die LAF-Messergebnisse für den Elektro- und den Verbrennungsmotor im selben Streckenabschnitt.
Noch interessanter ist allerdings die Analyse des Frequenzspektrums der beiden Aufnahmen (siehe Abb. 20).
Beim Elektromotor sehen wir, dass selbst im Bereich von 1000–3000 Hz Komponenten vorhanden sind, die im Verhältnis zur Summe nicht außer Acht gelassen werden können, während beim Verbrennungsmotor in diesem Bereich keine dominanten Harmonischen festzustellen sind.
Diese Analyse ermöglicht eine Objektivierung der akustischen Signatur des Elektromotors, die oft Gegenstand eingehenderer Studien ist, die auf die Änderung des vielerseits als nicht wirklich zufriedenstellend empfundenen akustischen Verhaltens abzielen.
Natürlich ist es bei einem solchen Vergleich wichtig, neben den erfassten Daten auch die subjektiven Empfindungen des Fahrers mit einzubeziehen.
Unterm Strich meinte Valerio: „Es war das erste Mal, dass ich mit einem Elektromotorrad auf einer Crossstrecke gefahren bin, und ich muss sagen, dass es mich erstaunt hat. Ich hatte keine so starke Beschleunigung und Aggressivität aus den Kurven heraus erwartet.“
Und welches Motorrad ist nun besser? Ich kann wirklich nicht sagen, welches von beiden ich lieber fahre, aber ich weiß, dass ich mit beiden sehr viel Spaß hatte“, so Valerio. „Sicher ist, dass der Umstieg von einem Verbrennungs- zu einem Elektromotor eine Änderung des Fahrstils mit sich bringt.“
Abschließend fügte der EMX-125-Europameister hinzu: „Auf Grundlage dieses Vergleichs allein kann ich mich nicht für eines der Motorräder entscheiden.“
Das Fazit
Die auf der Crossstrecke durchgeführte Messkampagne hat einige Annahmen bestätigt, aber auch Aspekte aufgezeigt, die nicht unbedingt so zu erwarten waren.
Die Datenerfassungssysteme von Dewesoft haben wieder einmal bewiesen, dass sie für anspruchsvolle Anwendungen wie diese perfekt geeignet sind. Sie überstanden erhebliche Belastungen wie Sprünge, Bodenwellen und harte Bodenkontakte sowie den Fahrstil eines Champions, ohne in irgendeiner Weise darunter zu leiden. Ihre geringe Größe und ihr geringes Gewicht erlaubten es uns, ein Setup zu entwickeln, das eine hervorragende Messperformance und gleichzeitig einen angemessenen Komfort für den Testfahrer gewährleistete.
Was unsere ursprüngliche Frage betrifft, nämlich, ob ein Elektrofahrzeug oder ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor besser ist, müssen wir Sie jedoch enttäuschen ...
Es gibt keine Antwort! Denn wie schon die lateinische Redewendung besagt: De gustibus non est disputandum („Über Geschmack lässt sich nicht streiten“).