Carsten Frederiksen / Shaji G. (direktor, Innovative Solution)

Montag, 6. Februar 2023 · 0 min read

by Indian Space Research Organization (ISRO)

Raketentriebwerkstest in Indien für die Weltraumforschung

Das eindeutig größte DAQ-System in einer Testanlage der indischen Raumfahrtindustrie ist ein massives integriertes Signalkonditionierungs- und Datenerfassungssystem von Dewesoft mit 2264 Kanälen.

Dieses System wurde für die erste Strukturtestanlage im Triebwerksforschungskomplex der Indischen Organisation für Weltraumforschung in Mahendragiri,Tamil Nadu, Indien eingerichtet. Der IT-Lösungsanbieter Innovative Solution schlug die Dewesoft-Lösung vor, die in erster Linie bei statischen und dynamischen Strukturtests an Trägerraketen und Stabilisierungshalterungen für Nutzlasten zum Einsatz kommen soll.

Gegenstand des Projekts

Der ISRO Propulsion Complex (IPRC) wurde mit der Aufgabe betraut, eine Datenerfassungsanlage für die Durchführung von Tests zur Gewährleistung der strukturellen Integrität verschiedener Subsysteme für Trägerraketen zu konfigurieren. Zur Erfüllung dieses Auftrags wurde eine Strukturtestanlage (STF) eingerichtet. 

ISRO-Antriebskomplex (IPRC)

Die in erster Linie auf integrierte Signalkonditionierung und dynamische Datenerfassung  ausgerichtete hochmoderne Instrumentierung ist dazu vorgesehen, kritische Parameter zu registrieren, wie 

  • Dehnung 

  • Temperatur 

  • Druck 

  • Weg 

  • Spannung

  • usw.

Der fast 400 m vom Kontrollraum entfernte CTR (Cable Terminal Room) beherbergt die Signalkonditionierungsmodule, während sich im Kontrollraum die Server, die Display-Knoten usw. befinden.

Die erste Hauptaufgabe des Systems ist die Simulation und Abbildung der Zuverlässigkeit von Einflussparametern während der Flugstabilisierungsphase. Die zweite ist die Gewährleistung der allgemeinen strukturellen Integrität bei kritischen Umgebungsdisparitäten während der Stufentrennungsphasen oder während Anpassungen der Bahndynamik mit Hilfstriebwerken. 

Zu den am Testobjekt zu erfassenden strategischen Parametern zählen:

  • das Ausmaß der Verformung in Bezug auf das erstellte FEA-Modell, 

  • der thermische Widerstand für die Überwachung der Zuverlässigkeit von thermischen Brennkammer-Sicherungen, 

  • die Stabilisierung des Betriebsdrucks in den Treibstoffleitungen und 

  • die kritische axiale Verschiebung an bestimmten Stellen.

Die erfassten Parameter werden über die synchronisierten digitalen Ausgänge, die Bestandteil dieses IDAS sind, in Echtzeit an Steuersysteme weitergeleitet und die erfassten Haupt- und Redundanzdaten über separate OFC-Verbindungen zu den Servern in den Fernbedienungsräumen übertragen.

Zu den kritischen Systemmerkmalen gehört die dynamische Abtastrate, die für die Eingangskanäle in Abhängigkeit vom Sensortyp eingestellt wird. Für die Auswahl passender Schnittstellenmethoden und Kommunikationshardware mussten die Faktoren Datendurchsatz und Übertragungsrate daher sorgfältig berechnet werden.

Da alle durchgeführten Tests umfangreich und ressourcenintensiv sind, ist es von entscheidender Bedeutung, dass bei der Datenübertragung an den Server und die Kontrollräume keine Datendiskrepanzen oder -verluste auftreten.

Abb. 1: Schematische Darstellung der Datenverbindungen aus dem Prüfstand

Auch die Planung der Datenspeicherung ist in Anbetracht der großen Anzahl analoger Kanäle, der hohen Abtastrate und der vernetzten Architektur der Knoten, in denen die Daten gespeichert werden, ein wichtiger Faktor. Gemäß den vom Auftraggeber festgelegten Standards für kritische Daten müssen die erfassten Daten an mehreren Orten gespeichert werden:

  • lokal in jedem R8rt-Datenerfassungs- und Steuerungssystem,

  • auf dem lokalen Konfigurationssystem im CTR,

  • per Netzwerkübertragung auf den Hauptservern und den redundanten Servern,

  • und in den Client-Display-Knoten, wo die archivierten Daten jederzeit für den Datenabruf und die Nachbearbeitung verfügbar sein sollten.

Die Datenbankverwaltung umfasst die Konvertierung der technischen Einheiten, die Konfiguration mit korrekten Kanalbeschreibungen, Tags und Skalierungs-/Parameterkonstanten für die Konvertierung. 

Online- und Offline-Datenverarbeitung

Die grafische und numerische Datenanzeige im Online-Modus musste in hohem Maße individuell anpassbar sein, etwa durch benutzerdefinierte Datenaktualisierungen, Auslösen von Aktionen auf Grundlage von Timing-Events, benutzerdefinierte Anzeigefarben, Überlastungsalarme usw.

Auch eine Nachbearbeitung der erfassten Daten findet in den angeschlossenen Knotensystemen statt. Zu den wichtigsten im Zuge dieser Nachbearbeitung durchgeführten Analysen gehören:

  • eine auf den Belastungsdiagrammen basierende Leistungsspektralanalyse,

  • 3D-Konturdiagramme zur Extraktion von Frequenzreferenzkurven,

  • die Kombination mehrerer Datenversuche zu Vergleichszwecken, 

  • die Erstellung kumulativer Prüfberichte. 

Darüber hinaus verfügte ISRO auch über Codes zur Verarbeitung der ausgewählten Parameter entsprechend den Umgebungsbedingungen.

Die Tests waren über einen längeren Zeitraum geplant. Dabei mussten Systemzustandsparameter wie Speicherauslastung, Systemtemperatur, Multikernprozessor-Auslastung, Speicherplatz usw. kontinuierlich überwacht und bei kritischen Zuständen Alarme ausgelöst werden, wodurch weniger menschliche Eingriffe erforderlich waren.

Abb. 2. Schematische Darstellung der Frontansicht des Prüfstand-Racks mit Kabelführung

Das umfangreiche Fehlerdiagnose- und Warnsystem von Dewesoft erwies sich für ein adäquates Datenmanagement während der Erfassung ebenfalls als sehr hilfreich. Darüber hinaus sind die Display-Knoten mit gemeinsam genutzten Netzwerkdruckern verbunden, um direkt nach Abschluss der Datenerfassung und -nachbearbeitung automatisch Berichte zu erstellen.

Umfang des Projekts

Das komplette System ist im Wesentlichen auf drei Hauptstationen verteilt:

  • den Cable Terminal Room (CTR), 

  • den Kontrollraum 1 und 

  • den Kontrollraum 2.
     

Im Cable Terminal Room befinden sich alle Datenerfassungssysteme. Diese sind folgendermaßen konfiguriert:

Datenerfassungs- und Echtzeitsteuerungs-Frontend-System R8rt von Dewesoft
19-Zoll-Rack-kompatibles Datenerfassungs- und Steuerungssystem IOLITEr von Dewesoft

Zusätzlich sind im CTR ein Konfigurationssystem sowie Netzwerk-Switches für das Routing der Haupt- und Redundanzdaten zu den Kontrollräumen untergebracht.

Die Datenverbindung zwischen dem CTR und den Kontrollräumen mittels OFC-Verkabelung erstreckt sich über 400 Meter. Im Kontrollraum sind die Hauptserver und redundanten Server installiert, die von hier aus weiter an die zahlreichen anderen, als Display-Knoten bezeichneten Systeme verteilt werden.

Zwischen den Sensoren und den Instrumenten-Racks im CTR, in dem die Datenerfassungssysteme untergebracht sind, wurden 96-adrige, hochtemperaturbeständige PTFE-Kabel mit einer Gesamtlänge von über 12 Kilometern verlegt. 

Die Masseanschlüsse wurden separat mit ISRO-konformen 108-poligen Steckverbindern von Weidmüller hergestellt. Anschließend wurden die Kabel im Rack verlegt und nach Bedarf verlängert, um sie an die jeweiligen Kanäle im R8rt und IOLITE -Datenerfassungssystem anzuschließen.

Systemschnittstellen

Abb. 3. Schematische Gesamtdarstellung des Datenerfassungssystems

Hauptvernetzung über GigE

Die einzelnen Systemelemente sind jeweils mit eigenen Controllern ausgestattet. Die kollektiven Daten aller R8rt- und IOLITE-Datenerfassungssysteme werden zur konsolidierten Visualisierung/Speicherung über einen mehrschichtigen verwalteten Netzwerk-SwitchM, der sich im CTR befindet, an ein einziges Konfigurationssystem (Knoten 1 Master) übertragen. 

Dieser Hauptdatenstrom wird dann für eine zuverlässige Kommunikation über einen weiteren mehrschichtigen verwalteten Netzwerk-SwitchM per Glasfaserkabel (OFC) in die Kontrollräume 1 und 2 weitergeleitet. Dort werden die Daten zur Speicherung/Anzeige zum ServerM und fünf Client-Knoten im Kontrollraum 2 sowie drei Client-Knoten im Kontrollraum 1 geroutet.

Redundante Vernetzung über GigE

Die einzelnen Systemelemente sind jeweils mit eigenen Controllern ausgestattet. Die kollektiven Daten aller R8rt- und IOLITE-Datenerfassungssysteme werden zur konsolidierten Visualisierung/Speicherung über einen mehrschichtigen verwalteten Netzwerk-SwitchR, der sich im CTR befindet, an ein einziges Konfigurationssystem (Knoten 1 Master) übertragen. 

Dieser redundante Datenstrom wird dann für eine zuverlässige Kommunikation über einen weiteren mehrschichtigen verwalteten Netzwerk-SwitchR per OFC in die Kontrollräume 1 und 2 weitergeleitet. Dort werden die Daten zur Speicherung/Anzeige zum ServerR und fünf Client-Knoten im Kontrollraum 2 sowie drei Client-Knoten im Kontrollraum 1 geroutet.

Synchronisation

Die Zeitsynchronisation der Datenerfassungssysteme findet über Hardware-Synchronisationskabel statt, die mit der ISRO-konformen IRNSS-Zeitquelle verbunden sind. Die einzelnen Datenerfassungsknoten sind in Reihe verkabelt, damit für die gespeicherten/angezeigten Daten ein synchroner Zeitstempel gewährleistet ist.

EtherCAT® Out

Alle Datenerfassungsknoten sind so ausgelegt, dass sie zusätzlich zu den Haupt- und den redundanten Datenströmen einen direkten EtherCAT-Ausgangsdatenstrom liefern. Dieser Datenstrom kann für die Rückkopplungsüberwachung oder zeitgesteuerte Reaktion in Fremd-SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung) eingespeist werden.

M Bezogen auf den Hauptdatenstrom

R Bezogen auf den redundanten Datenstrom

Die Rolle von Dewesoft im Projekt

Bei Innovative Solution und Dewesoft haben wir über drei Jahre lang an den technischen und kommerziellen Aspekten dieses spezifischen Projektes gearbeitet, das nun endlich Früchte trägt. Die Entwicklung einer Gesamtlösung – vom Konzept bis zur Inbetriebnahme –, die alle Sicherheits- und Standardisierungsnormen der ISRO erfüllt, war eine echte Herausforderung. 

Die fachliche Mitwirkung unserer Techniker reichte von der Planung bis hin zur Umsetzung am Einsatzort und den Tests. Ihre Arbeit umfasste die Auswahl der Datenerfassungshardware und der Kommunikations- und Datenkabel, das Floorplanning, die effiziente Routing- und Anschlussplanung und die Entwicklung der Verkabelungsmodelle. Das gesamte System wurde am Einsatzort implementiert, wobei besonderes Augenmerk auf Flexibilität bei der Zugänglichkeit und eine einfache Identifizierung und Wartung gelegt wurde.

Die Kabel der Sensoren an der zu prüfenden Struktur wurden unter Berücksichtigung prozesskritischer Daten, des Sensortyps, der Verkabelungskonfiguration usw. zum CTR geführt. Die Verbindung der Dehnungsmessstreifen (3-Leiter-Viertelbrückenkonfiguration) mit den Datenerfassungsmodulen wurde gemäß ISRO-Spezifikation durch PFTE-Kabel mit jeweils drei verzinnten Kupferleitern (Querschnitt 24 AWG) umgesetzt.

Die Verdrahtung für unterschiedliche Spannungssignale oder Funktionen wurde mit dedizierten und farbcodierten Kabelkanälen und Klemmenleisten separat verlegt bzw. angeschlossen. Für die Versorgungs- (Lüfter, Temperaturüberwachung) und die Prozessspannung (Controller, Eingangsmodule) wurde ebenfalls eine separate Farbkodierung verwendet. Die Kabel wurden ordnungsgemäß mithilfe von Kabelmanagern an der Ober- und Unterseite jedes Datenerfassungssystems (DAS) verlegt, um die Identifikation der Kanal-ID für die Konfiguration zu vereinfachen.

Die Herausforderung der EMI/EMV wurde von unserem Planungsteam durch die adäquate Positionierung der Schlüsselkomponenten und elektrischen Energieverteilungsgeräte im Systemschrank und die Verwendung separater Kabelkanäle gemeistert. Die Haupteingangskabel wurden zudem vorschriftsgemäß mit Standard-Polyimidverschraubungen installiert, und bei der Verdrahtung, der Verlegung, dem Abschluss und dem Verpressen der Aderendhülsen wurde auf beiden Seiten mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen.

Das Projekt wurde mit Hilfe zahlreicher Dienstleister aus diversen für die Errichtung und den Betrieb der Anlage relevanten Sektoren auf den aktuellen Stand gebracht. Wir sind stolz auf unsere Beteiligung an dieser strategischen Mission der indischen Regierung

Unsere besondere Anerkennung gilt dabei der zügigen und konstanten Unterstützung durch die Dewesoft-Niederlassungen in Österreich und Indien, die die erfolgreiche Realisierung dieses gewaltigen Projekts ermöglicht hat.

Zukunft des Projekts

Die Strukturtestanlage soll noch ein Jahrzehnt lang, also bis zum geplanten Upgrade auf ein noch besseres System, intensiv genutzt werden. 

Dewesoft ist auch der Wegbereiter für eine im Bau befindliche, noch größere Anlage mit über 15 000 Datenerfassungskanälen