Alessia Longo

Montag, 27. Februar 2023 · 0 min read

Opera del Duomo d’Orvieto

Strukturelle Zustandsüberwachung am Dom von Orvieto

Italien gehört zu den Ländern, die weltweit die meisten historischen, monumentalen und künstlerischen Bauwerke besitzen. Dieses Erbe über die Jahre zu bewahren, ist nicht nur wichtig, sondern eine Pflicht.
Dazu ist es erforderlich, auf Diagnose- und Präventionsverfahren zurückzugreifen, die die Authentizität der Gebäude nicht beeinträchtigen. Ein solches Verfahren ist die strukturelle Zustandsüberwachung (Structural Health Monitoring, SHM). In einem der Meisterwerke der gotischen Architektur in Mittelitalien, dem Dom von Orvieto, ist ein permanentes dynamisches Überwachungssystem von Dewesoft installiert worden.

Der Dom von Orvieto

Die Basilika Santa Maria Assunta, auch bekannt als Dom von Orvieto, ist eine der größten Leistungen der italienischen Kunst des Spätmittelalters und ein Meisterwerk der gotischen Architektur in Mittelitalien. Der Dom ist heute nicht zur das Wahrzeichen der Stadt Orvieto, sondern zählt auch zu den schönsten Kathedralen Italiens und der Welt. Sein Bau wurde 1290 begonnen.

Der Bau wurde sowohl von der Kirche als auch von der Stadtverwaltung nachdrücklich gewünscht, um die beiden baufälligen Kirchen, die an dem schönen Platz standen, am dem heute der Dom aufragt, durch eine einzige große Kathedrale zu ersetzen. Die Bischofskirche Santa Maria war ziemlich heruntergekommen, und die Pfarrkirche San Costanzo wurde von Kanonikern verwaltet, die Häuser und Geschäfte in der Nähe des zugehörigen Kloster besaßen. Die suggestive Theorie, wonach die Unterbringung der Blutwunderreliquie Korporale von Bolsena der Hauptgrund für den Bau war, ist kaum haltbar.

Die Kathedrale ist ein großartiges Bauwerk, das verschiedene architektonische Stile miteinander verbindet. Sie kann als bewundernswertes Beispiel für die ausgewogene Mischung gotischer – hier ragt die Fassade mit ihren schlanken Türmen heraus – und romanischer Baukunst gelten, weist aber auch einzigartige Besonderheiten auf. An den verschiedenen Planungs- und Bauphasen des Doms waren zahlreiche Personen beteiligt.

Abb. 1: Der Dom von Orvieto (Basilika Santa Maria Assunta)

Für die Instandhaltung des Doms von Orvieto, die Verwaltung seines Vermögens, die Erhaltung der Kunstwerke und die Verwaltung des Museums ist die selbständige Körperschaft Opera del Duomo d‘Orvieto zuständig, die beschlossen hat, in Zusammenarbeit mit Dewesoft ein permanentes Zustandsüberwachungssystem im Bauwerk zu installieren.

Die Stadt mit ihrem historischen Bauwerk liegt in Mittelitalien in der Nähe des Zentralen Apennin und damit in einem der am stärksten erdbebengefährdeten Gebiete Italiens, das etwa einmal pro Jahrzehnt von starken Erdbeben erschüttert wird. Unter Orvieto liegen mehrere Verwerfungslinien und aktive seismische Strukturen.

Die Anordnung der Überwachungsinstrumente

Das Zustandsüberwachungssystem (Structural Health Monitoring, SMH) wurde installiert, um die dynamische Interaktion der makrostrukturellen Elemente der Kathedrale, des Querschiffs, des Längsschiffs und der Fassade zu bewerten.

Dazu werden die Verstärkungen des Beschleunigungssignals an den verschiedenen Stellen der Kathedrale über die Zeit überwacht. Sie spiegeln die Reaktionen des Bauwerks auf Belastungen durch seismische Vorgänge oder Erdbeben sowie durch den täglichen Verkehr und Bauarbeiten im Zeitverlauf wider. Die mit diesen Belastungen verbundenen Kräfte können die signifikanten Frequenzen des Bauwerks verändern und zu einer strukturellen Degradation führen.

Das installierte System ermöglicht es insbesondere, das Verhalten der Struktur nach den Arbeiten zu beobachten, die in den kommenden Monaten stattfinden werden, um die Basilika und ihre Fassade zu einer einzigen kohärenten Struktur zu machen.

Beim für die Langzeitüberwachung gewählten System handelt es sich um das sensorbestückte Erfassungsmodul IOLITEi-3xMEMS von Dewesoft. Die Beschleunigung wird mittels integrierter triaxialer MEMS-Beschleunigungssensoren gemessen.

Es handelt sich um ein äußerst zuverlässiges System, das dank der Empfindlichkeit der in das Erfassungsmodul integrierten Beschleunigungssensoren gut zur Messung der Strukturdynamik geeignet ist

meint Gerardo De Canio, der Statikgutachter von Opera del Duomo d'Orvieto. „Wir haben uns für Dewesoft entschieden, weil das Unternehmen weltweit zu den führenden Anbietern zählt."

Für diese Installation wurde eine Closed-Loop-Hardwarekonfiguration gewählt. Die Module sind dabei in einer EtherCAT-Messkette mit mehreren an strategischen Punkten der Struktur verteilten Knoten angeordnet. Insgesamt wurden 13 IOLITEi-3xMEMS-Geräte entlang der Säulen des Mittelschiffs und im zentralen Gewölbe installiert.

Abb. 2: Schematischer Aufbau des Zustandsüberwachungssystems

Die Verwendung von zwei IOLITE Power-Injektor-Modulen mit PoE-Technologie ermöglicht es, die beiden Zweige des Rings von einem einzigen Punkt aus mit nur einer Stromquelle zu versorgen. Dies war erforderlich, da das Stromnetz des Gebäudes nicht in der Lage ist, die Stromversorgung der gesamten Erfassungskette zu gewährleisten, entlang der die Beschleunigungsmessmodule positioniert wurden.

Abb. 3: Anordnung der Beschleunigungssensoren entlang des Mittelschiffs und der Kuppel der Basilika von Orvieto
Abb. 4: Die IOLITE 3x MEMS-ACC-Beschleunigungsmesser wurden im oberen Teil des Mittelschiffs angebracht. Dank ihrer diskreten Positionierung und geringen Größe wird die Ästhetik des Bauwerks nicht beeinträchtigt.

Die Kommunikation erfolgt über das EtherCAT-Protokoll, was die Verteilung der IOLITE-Geräte auch über großen Strukturen ermöglicht. Die Geräte unterstützen Entfernungen von bis zu 50 m zwischen den einzelnen Knoten und werden über ein einziges Netzwerkkabel für Signalübertragung, Stromversorgung und Datensynchronisation verbunden. Es ist sogar möglich, Entfernungen von mehr als 50 m zu überbrücken, wenn zwischen zwei Messpunkten ein geeigneter passiver Repeater platziert wird.

Die Anzahl der Beschleunigungssensoren, die für diese erste Lieferung gewählt wurden, ist nicht unbedingt endgültig, und das System kann bei Bedarf problemlos um weitere Sensoren ergänzt werden. Ein großer Vorteil der Dewesoft-Datenerfassungssysteme ist, dass die Anzahl der Kanäle jederzeit erweitert werden kann.

Abb. 5: Die Positionen der Beschleunigungssensoren 1, 2, 8 und 9 auf den Vierkantpfeilern und der Innenwand des Mittelbogens

Die Messungen 

Die Konfiguration der Beschleunigungssensorkanäle in der Messanordnung ist einfach und unmittelbar wirksam. Die IOLITEi-3xMEMS-Module werden von der Datenerfassungssoftware DewesoftX automatisch erkannt. Der Benutzer braucht lediglich noch die gewünschte Maßeinheit (g oder m/s2) auszuwählen.

In diesem Fall hat sich der Kunde für eine Datenerfassung mit einer Abtastfrequenz von 100 Hz entschieden, bei der nur die Rohdaten und die maximalen skalaren Effektivwerte der triaxialen Beschleunigungssensoren aufgezeichnet werden.

Abb. 6: Die mit der Software DewesoftX erstellte Erfassungsschnittstelle

Während der Erfassungsphase werden jedoch die momentanen, mithilfe grundlegender statistischer Mathematik berechneten Effektivwerte aller Kanäle angezeigt, um etwaige Anomalien zu erkennen.

Die Software kann auch zur Fernbedienung eingerichtet und das Erfassungssystem online gestellt werden. Dann kann sich jeder autorisierte Benutzer einloggen, die Datenerfassung in Echtzeit verfolgen und die Datendateien herunterladen, ohne unbedingt vor Ort sein zu müssen.

Im vorliegenden Fall findet die eigentliche Überwachung von einem in Rom gelegenen Büro aus statt. Zurzeit verfügt der Kunde allerdings nicht über ein stabiles und sicheres Internet-Netzwerk. Daher ist die Erfassungssoftware nicht 24 Stunden am Tag online, sondern es wird eine Verbindung hergestellt, wenn Daten heruntergeladen werden müssen.

Abb. 7: Die Effektivwerte des Beschleunigungssensors werden mithilfe der grundlegenden Statistikfunktionen von DewesoftX berechnet

Das System zeichnet die Messdaten rund um die Uhr auf, wobei die Möglichkeit besteht, mehrere Datendateien mit einer Dauer von jeweils einer Stunde zu erstellen. Bei der Nachverarbeitung ermöglicht diese Option den Zugriff auf alle Datendateien zusammen, um einen vollständigen Überblick zu erhalten, oder auf einzelne Datendateien, um bestimmte einstündige Abschnitte zu analysieren.

Diese Multi-File-Option erlaubt es selbst bei permanenter Erfassung, Datendateien mit begrenzter Größe zu erstellen, und erleichtert so den Zugriff auf die Daten und deren Verarbeitung.

Die Software DewesoftX bietet außerdem die Möglichkeit, Daten auf Grundlage bestimmter Ereignisse oder Auslöser aufzuzeichnen. Dadurch reduziert sich die Datenmenge, die der Baustatiker später analysieren muss.

Es können Schwellenwerte und optional auch eine Vortrigger- und Nachtriggerzeit für die Rohdaten oder die in den Messaufbau integrierten mathematischen Funktionen, wie die Berechnung der Beschleunigungseffektivwerte, konfiguriert werden.

DewesoftX erlaubt es zudem, Alarme oder Alarmgruppen einzurichten und eine E-Mail-Benachrichtigung zu senden, falls und wenn ein Ereignis eintritt.

IOLITEi-3xMEMS – das Datenerfassungsgerät mit integriertem Beschleunigungssensor

Abb. 8: Das Dewesoft-Datenerfassungsgerät IOLITEi-3xMEMS mit integriertem rauscharmen triaxialen MEMS-Beschleunigungssensor

Das IOLITEi-3xMEMS erfasst die Daten über den integrierten Sensor. Die A/D-Wandlung des Signals erfolgt innerhalb des Geräts, wodurch Rauschprobleme selbst bei größten Kabellängen eliminiert werden.

Der integrierte Mikroprozessor überträgt die abgetasteten Beschleunigungswerte an die auf einem Windows-PC installierte Erfassungssoftware DewesoftX oder sendet die Daten an einen EtherCAT-Master auf der gewünschten Plattform. Durch die automatische Skalierung stehen die Daten sofort in g oder m/s2 zur Verfügung.

Der eingebaute Temperatursensor misst die Temperatur, der der MEMS-Beschleunigungssensor ausgesetzt ist. Der entsprechende Messwert ist über die Systemmonitor-Kanäle in DewesoftX einzusehen. Die Werte werden jede Sekunde aktualisiert.

Die IOLITEi-3xMEMS-Module bieten eine optimale Basis für Lösungen zur Überwachung der strukturellen Integrität oder zur permanenten Überwachung von Ingenieurbauwerken wie Brücken, Pylonen, Antennen, Gebäuden und Stadien. Dank einer spektralen Rauschdichte von nur 25 µg/√Hz und einem Eigenrauschen von 100 µg stellen die IOLITE-Sensoren zudem eine hervorragende wirtschaftliche Alternative für die seismische Überwachung dar.

Abb. 9: FFT-Diagramm zur Veranschaulichung des Eigenrauschens auf den drei Achsen, abgetastet mit 100 S/s, entsprechend einem Dynamikbereich von 96 dB

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Fazit

Bei vielen historischen Bauwerken leistet die Zustandsüberwachung einen wertvollen Beitrag zur Diagnose und Vorbeugung schwerer Schäden, die durch Erdbeben verursacht werden oder infolge des altersbedingten Verfalls auftreten können.

Das letztendliche Ziel jeder Überwachung ist es, anhand der Auswertung der erfassten Daten durch Fachleute mögliche Bauwerksbewegungen festzustellen. Bei historischen Bauwerken werden mit der Installation eines Überwachungssystems drei wichtige Zwecke verfolgt:

  • zu beurteilen, ob Wartungsmaßnahmen erforderlich sind;

  • die Entwicklung der überwachten Größen zu quantifizieren und abnormaler Situationen, wie z. B. Erdbeben, mittels voreingestellter „Alarmierungen“ zu überwachen;

  • die adäquate Reaktion des Bauwerks nach Instandhaltungsmaßnahmen und seine vollständige erneute Stabilisierung zu kontrollieren.

„Wir benötigen weniger eine seismische Bodenstation als ein System zur Überwachung der Strukturdynamik“, sagt Gerardo De Canio.

Diese Beschleunigungsaufnehmer haben eine gute Verstärkung und ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis. Wir haben Dewesoft bereits um eine Erweiterung des kompletten Überwachungssystems gebeten.

Abb. 10: Gerardo De Canio nimmt Änderungen an der Messschnittstelle vor

Das Dewesoft-Überwachungssystem mit IOLITEi-3xMEMS-Modulen ist einfach zu installieren, nichtinvasiv und im Verhältnis zum Wert der erbrachten Leistung sehr kostengünstig. Die Datenerfassungssoftware DewesoftX erlaubt es, die Daten bereits während der Erfassungsphase einzusehen und unmittelbar oder nachträglich weiter zu analysieren.

Die Achtung und Bewahrung des historisch-künstlerischen Erbes über die Zeit ist wichtig und notwendig. Dafür werden Diagnose- und Präventionsverfahren benötigt, die seine Authentizität und Schönheit nicht beeinträchtigen. Die Systeme von Dewesoft werden dieser Philosophie voll gerecht, indem sie die kontinuierliche Überwachung der Bauwerke erlauben und gleichzeitig eine zerstörungsfreie Analyse gewährleisten.