Mittwoch, 1. Februar 2023 · 0 min read
Korrelation von Leistungsmessungen mit Schwingungsdaten von Elektromotoren
Die Herausforderung
Die rasante Entwicklung bei Elektrofahrzeugen hat für Ingenieure neue Herausforderungen bei Konstruktion, Prüfung und Messung mit sich gebracht. Eine der dringlichsten Aufgaben ist die Schwingungsanalyse gewesen. Die Ingenieure haben insbesondere damit zu kämpfen gehabt, die aufgrund des Nuteneffekts (d. h. durch Rotor- und Statornuten verursachte Leitwertschwankungen im Luftspalt) entstehenden Harmonischen von denen zu trennen, die vom Wechselrichter herrühren.
Vor 2011 wurden für Asynchronmotoren Energieverluste von 0,5 % angenommen. Während solche groben Schätzwerte damals als „gut genug“ galten, werden inzwischen jedoch viel genauere Messungen verlangt. Tatsächlich müssen aktuelle Asynchronmotoren mindestens die Anforderungen der Energieeffizienzklasse IE2 nach IEC 60034 erfüllen. Die präzise Messung von Wirkungsgrad und Energieverlust erfordert eine höchstmögliche Genauigkeit über die gesamte Messkette.
Leider liefen die Test- und Entwicklungsingenieure der Automobilindustrie gegen eine Wand, als sie versuchten, die Messungen durchzuführen: Wie sollte man die vom Wechselrichter verursachten Frequenzen von denen trennen, die durch den Nuteneffekt entstehen? Es war eine echte messtechnische Herausforderung.
Zwei verschiedene Forschungs- und Entwicklungsunternehmen aus der Automobilbranche mit unterschiedlichem Fachwissen sahen sich gleichzeitig mit dieser Herausforderung konfrontiert und beschlossen, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Hier ist die Story, wie sie es geschafft haben.
Das französische Unternehmen EOMYS ist ein führender Anbieter von Multiphysik-Ingenieurdienstleistungen mit besonderem Schwerpunkt auf E-Mobilität, also Elektrofahrzeuge. Es verfügt über Fachexpertise auf dem Gebiet der Analyse und Reduzierung von Geräuschen und Schwingungen, die durch elektromagnetische Kräfte in elektrischen Systemen verursacht werden, und hat an mehr als 150 technischen Projekten in diesem Bereich mitgewirkt.
Das in Slowenien ansässige Unternehmen Dewesoft ist ein führender Hersteller von Datenerfassungssystemen für den Automobilmarkt. Dewesoft war innovativer Vorreiter bei der Einführung von Netzqualitäts-, NVH-, Ordnungs- und Akustikanalysen in die Welt der Allzweck-Datenerfassungsgeräte. Dabei setzte das Unternehmen nicht nur auf Software, sondern auch auf die enge Integration von hochauflösenden Zähler-/Timing-Eingängen für Encoder und Drehzahlsensoren mit den analogen Eingängen, mit einer Synchronisationsgenauigkeit von unter einer Mikrosekunde, unabhängig von der von den Analogsensoren benötigten Abtastrate.
Das Projekt
Die ersten Tests wurden schon bald durchgeführt. Abb. 2 zeigt einen typischen Testaufbau an Permanentmagnet-Synchronmotor mit eingebetteten Magneten (IPMSM) mit 12 Statornuten und 4 Polpaaren (12s8p). EOMYS führte in einem Halbfreifeld-Messraum die Messungen des Motor- und Gehäuseschwingungsgeräusches bei bis zu 1000 U/min durch. Ziel war es, die Geräusche und Schwingungen zu reduzieren, die durch die vom Wechselrichter induzierten Harmonischen verursacht werden.
Nach der Durchführung zahlreicher Testläufe berieten EOMYS und Dewesoft, wie die Daten analysiert werden sollten. Es wurden mehrere Methoden ausprobiert, die alle ihre eigenen Vorteile und Grenzen hatten.
Abb. 3 zeigt beispielhaft einen FFT-Spektrenvergleich eines Geräusch- und Schwingungsspektrums bei 863 U/min. Messungen wie diese sind nützlich, sind aber nicht in der Lage, das Verhalten eines Systems über seinen kompletten Drehzahlbereich zu beschreiben.
Es wurden auch Spektrogrammvergleiche durchgeführt (siehe Abb. 4), die ebenfalls von Nutzen waren, jedoch nur einen qualitativen Vergleich lieferten.
Für einen quantitativen Vergleich der wechselrichterinduzierten Harmonischen über den gesamten Betriebsbereich des Motors mussten die Ingenieure von EOMYS und Dewesoft einen besseren Weg finden.
Um die Frequenzsignatur der von Nutung und Pulsweitenmodulation (PWM) verursachten Schall- und Schwingungsharmonischen besser zu verstehen, wurde zunächst das Spektrogramm der Motorgehäuseschwingung analysiert (siehe Abb. 5).
Die der Nutung zuzuordnenden Harmonischen erscheinen als schräge Linien, die den Punkt 0 Hz / 0 U/min kreuzen. Ihre Frequenzen werden in mechanischen Ordnungen ausgedrückt (z. B. H8 = das 8-fache der Rotationsfrequenz des Rotors), die von der Topologie des Motors abhängen. Bei einem IPMSM mit 12 Nuten und 4 Polpaaren (12s8p) treten die von der Nutung induzierten Harmonischen bei H8 und seinen Vielfachen auf.
Die PWM-Harmonischen weisen eine „Palmensignatur“ um die PWM-Trägerfrequenz fs und ihre Harmonischen auf. Die Verteilung der Harmonischen um \(f_s\) hängt von der implementierten Motorsteuerungsstrategie ab. Im vorliegenden Fall beträgt die Trägerfrequenz fs 3000 Hz, und die Harmonischen um \(f_s\) sind \(f_s \pm 4f_e , f_s \pm 8f_e , f_s \pm 12f_e\)usw.
Die PWM-bezogenen Harmonischen waren zwar zu erkennen, aber zur Extraktion der relevanten Informationen war nun eine sehr zeitaufwändige Nachanalyse erforderlich. Der Umstand, das Änderungen der Drehzahl (RPM) und der Trägerfrequenz des Wechselrichters das Energiemuster beeinflussen und verschieben, macht es schwierig, allgemeine und automatisierte Verfahren für die Motordiagnose zu bestimmen.
Die Ingenieure stellten die Theorie auf, dass es möglich sein sollte, die Prüfung der von den PWM-Harmonischen herrührenden Strom- und Schwingungspegel zu automatisieren, und begannen, daran zu arbeiten.
Mit Hilfe der Ordnungsanalyse war es möglich, die Drehzahlschwankungen zu berücksichtigen, indem die Daten-Samples pro Zeit (Zeitbereich) in Samples pro Umdrehung (Winkelbereich) umgewandelt wurden. Auf Winkelbereichsdaten basierende FFT-Spektren ergeben FFT-Ordnungsspektren, bei denen sich die Spektrallinien unabhängig von der Motordrehzahl auf die Anzahl der Sinusperioden pro Umdrehung beziehen.
Eine normale Ordnungsanalyse liefert vertikale Ordnungslinien für Energiekomponenten, die vollständig von den Drehzahlschwankungen abhängen. Abb. 6 zeigt die Nutungsharmonischen mit geraden vertikalen Ordnungslinien über den gesamten Drehzahlbereich. Aber was ist mit den Energiekomponenten, die auch von der Trägerfrequenz des Wechselrichters beeinflusst werden? Solche Komponenten sind nicht auf bestimmte Ordnungslinien festgelegt, da sich die Trägerfrequenz nicht mit der Drehzahl ändert. Außerdem sind die PWM-Komponenten viel höher in der Frequenz angesiedelt, so dass sie bei Ordnungen im Bereich von über mehreren Hundert anzutreffen sind.
Die Lösung
Durch Demodulation der gemessenen Zeitdaten in Bezug auf die Trägerfrequenz des Wechselrichters wurde der Frequenzversatz so verschoben, dass man eine Modulationsfrequenz des Wechselrichters von 0 Hz erhielt. Eine Ordnungsanalyse auf Grundlage dieser demodulierten Zeitdaten ergab vertikale Ordnungslinien für die drehzahlabhängigen und dabei auf dem Trägerfrequenz-Offset beruhenden Energiekomponenten – die PWM-Harmonischen.
Für die Durchführung der Tests wurde eine geeignete Datenerfassungsplattform benötigt. Die Wahl fiel auf das SIRIUS-Datenerfassungsgerät von Dewesoft, weil es für Elektromotoren mit bis zu 12 Phasen geeignet ist und zudem in der Lage, mechanische Parameter wie Drehzahl, Drehmoment und Verformung simultan zu messen. Die Messung zusätzlicher Parameter wie Schwingung, Schallpegel und Temperatur wird präzise mit den Leistungsparametern synchronisiert. Das SIRIUS-System ist auch für die Durchführung von Wechselrichtertests, einschließlich der Messung aller E/A-Konfigurationen für bis zu 7-phasige Systeme, geeignet. Grundfrequenzen von 0,5 Hz bis 3 kHz können ebenso analysiert werden wie Schaltfrequenzen bis in den Bereich von mehreren hundert Kilohertz.
Normalerweise müssen für diese Art von Tests mehrere verschiedene Instrumente simultan betrieben werden. Das Team stellte jedoch fest, dass ein einzelnes SIRIUS-System ausreichte, um alles zu messen und dabei alle Parameter zu synchronisieren. Zudem ließen sich auch noch zusätzliche Parameter wie GPS-Positionsdaten, Temperatur, CAN-BUS-Daten und Videoaufnahmen hinzufügen und synchron mit den Leistungsdaten aufzeichnen.
Auf der Hardware liefen die DewesoftX-Software und das Ordnungsanalysemodul. Sie wurden verwendet, um die mit einer hohen Modulations-/Trägerfrequenz fs zusammenhängenden PWM-Flussharmonischen zu untersuchen.
Dazu wurden zunächst die Eingangssensorkanäle ausgewählt, und die Tacho-/Frequenzquelle wurde zur Konvertierung der Daten vom Zeit- in den Winkelbereich verwendet.
Anschließend wurde der Demodulationsprozess aktiviert und eine feste oder variable Trägerfrequenz auf Grundlage der elektrischen Grundfrequenz fs des gemessenen Elektromotors ausgewählt. Durch Heterodynisierung der Eingangszeitsignale enthielten die FFT-Ergebnisse die Trägerfrequenz als 0. Ordnung anstelle von Gleichstrom, wurden aber dennoch weiter in Bezug auf die Tachoquelle verfolgt.
Zur Untersuchung der spektralen Ergebnisse und der harmonischen Komponenten über den gesamten Drehzahlbereich wurden die Binning-Einstellungen so konfiguriert, dass sie den Drehzahlbereich von 300–1000 U/min abdeckten, und Delta-RPM zur Definition der Drehzahlauflösung für die Ergebnisdarstellung im Wasserfalldiagramm wurde auf 1 U/min eingestellt. Diese Einstellungen sind in Abb. 8 zu sehen.
Zuletzt wurden die spektralen Einstellungen vorgenommen und die relevanten harmonischen Komponenten ausgewählt. Da wir die Demodulation aktiviert hatten, war die erste harmonische Komponente \(fs+fe\), also die Trägerfrequenz zzgl. der Grundfrequenz, während sich die erste negative Harmonische entsprechend auf \(fs−f_e\) bezog.
Infolge der demodulierten, verfolgten Daten blieben die PWM-Ordnungskomponenten unabhängig von der Drehzahl und den Schwankungen der PWM-Trägerfrequenz auf bestimmten Ordnungslinien fixiert (siehe Abb. 9).
Nun hatten die Ingenieure von EOMYS und Dewesoft eine Lösung. Mit einer Mess- und Analysekonfiguration dieser Art ließen sich die PWM-Fluss- und Kraftharmonischen während der Messung einfach und automatisch extrahieren. Außerdem war es möglich, die mathematischen Funktionen in derselben Software während der auf die Erfassung folgenden Analyse nachträglich hinzuzufügen oder anzupassen.
Das Fazit: Auf Grundlage der PWM-Geräusch- und Schwingungsspektren und der extrahierten PWM-Harmonischen lassen sich die Stärke der von der PWM erzeugten Schwingungen und die mit solchen Schwingungsmustern korrelierten Geräuschpegel bestimmen.
Mit dieser Technik können Ingenieure nun problemlos die Einflüsse aller Arten von harmonischen Komponenten voneinander trennen und miteinander vergleichen und sehen, wie sie sich zueinander verhalten. Sie können alles bereits während der Durchführung des Tests live überwachen. Dieses Setup verkürzt die Testzeit und erlaubt es, die Ergebnisse und alle wichtigen Parameter sowohl online als auch offline anzeigen zu lassen.
Die Schwingungsdaten können nun auch dazu verwendet werden, die Kohärenz zwischen dem PWM-Geräusch und den PWM-Schwingungen zu validieren. Auf die gleiche Weise können elektrische Stromdaten dazu verwendet werden, die Kohärenz der PWM-Schwingungen mit den Drehzahlharmonischen und den PWM-Flussharmonischen des elektrischen Stroms zu prüfen.
Die Schallharmonischen zeigen, welche Schwingungsfrequenzen am stärksten in Richtung der Mikrofonposition abgestrahlt werden. In einem Elektroauto können zum Beispiel einige der PWM-Schwingungsharmonischen kritisch erscheinen, aber das Design des Fahrzeugs und sein Innenraum haben großen Einfluss auf die mit verschiedenen Schwingungsharmonischen einhergehenden Geräusche. Einige können gedämpft werden, andere hingegen nicht. PWM-Schwingungsharmonische weisen Spitzen bei Drehzahlen auf, bei denen eine bestimmte Harmonische eine strukturelle Resonanzmode schneidet. Bei diesen Tests traten keine harmonischen Spitzen auf.
In Abb. 10 sind die kritischsten Komponenten der PWM-Harmonischen einmal mit und einmal ohne Schallreduzierung aus den Geräuschmessungen extrahiert.
Anhand der Summe der extrahierten kritischen PWM-Harmonischen lässt sich die Wirkung des Schall- und Schwingungsreduzierungssystems leicht untersuchen. Abb. 11 zeigt die Differenz des Schalldruckpegels (SPL) bei Verwendung und Nichtverwendung des Schallreduzierungssystems.
Das Schallreduzierungssystem reduzierte den Schalldruckpegel über den gesamten Drehzahlbereich um 1,5 dB bis 3,5 dB. Diese Reduzierung basierte auf den dominantesten PWM-Harmonischen um die elektrische Grundschaltfrequenz \(f_s\).
Entsprechende Reduzierungen des Schalldruckpegels wurden auch für andere PWM-Komponenten und rund um die „Palmblätter“ beim zweiten, dritten und vierten Vielfachen von \(f_s\) festgestellt. Die über den gesamten Drehzahlbereich gemessenen äquivalenten Dauerschallpegel (L_{beq}\) reduzierten sich um mehr als 5 dB.
Die Extraktion dieser PWM-Harmonischen ermöglicht einen schnellen und einfachen Prozessablauf beim Vergleich mehrerer Testläufe und ermöglicht die Bestimmung des relativen Einflusses der PWM-Harmonischen im Vergleich zu den gesamten Strom-, Geräusch- und Schwingungspegeln über den gemessenen Drehzahlbereich.
Die Extraktion von PWM-Harmonischen ist zudem sehr gut dafür geeignet, simulierte Modelle dieser Art von Wechselrichtermotoren zu vergleichen und zu validieren.
In der DewesoftX-Software können alle Ausgangskanäle der extrahierten Harmonischen und benutzerdefinierten Markerkanäle zur Erstellung von Toleranzkurven verwendet werden. Darüber hinaus sind während der Durchführung von Tests die Alarmgrenzen aktiv, so dass die Ingenieure in Echtzeit über alle Umstände informiert werden, die sie im Auge behalten wollen.
Schließlich können die extrahierten Schall- und Schwingungsharmonischen (bezogen auf die PWM-Kraftharmonischen) mithilfe des integrierten Berichterstellungs-Tools ausgedruckt werden. Die Berichte, die auf Papier ausgedruckt oder als PDF-Dateien gespeichert werden können, enthalten eine Testbeschreibung sowie alle Diagramme, dargestellt in der gleichen Weise wie während der Tests.
Zusätzlich zur Berichterstellung können alle Daten (einschließlich der extrahierten PWM-Harmonischen) aus DewesoftX in eine Vielzahl von Datenformaten exportiert werden, und es ist jetzt auch möglich, ein automatisiertes Gateway zu erstellen, so dass die Manatee-Software von EOMYS Testdaten direkt aus DewesoftX importieren kann. Manatee bietet einen einfachen Workflow für den Vergleich realer Testdaten mit Simulationen.
Fazit
Mit den Messgeräten von Dewesoft war EOMYS in der Lage, alle relevanten physikalischen Größen wie Spannung, Strom, Schwingung und Schall zu erfassen und zu analysieren und anschließend eine erweiterte Diagnose der Netzqualität und der Harmonischen durchzuführen, und zwar nicht nur der von der Motordrehung herrührenden, sondern auch der mit der PWM des Wechselrichters zusammenhängenden Fluss- und Kraftharmonischen.
Alle gewünschten Metriken und Spektralergebnisse konnten gespeichert, exportiert und für Simulationsvergleiche und die Berichterstellung verwendet werden. Die Automatisierung des Berichterstellungsprozesses brachte eine enorme Zeitersparnis und steigerte die Produktivität erheblich. Während der Tests konnten alle Metriken und spektralen Ergebnisse mit definierten Toleranzkurven und Alarmstufen live überwacht und alle Daten einschließlich der Alarmtrigger an Drittsysteme gestreamt werden.
Der Motorenhersteller war nicht nur mit den Daten zufrieden, sondern auch mit der Tatsache, dass eine einzige Datenerfassungsplattform ausreichte. Die Bedeutung der Korrelation von Leistungsmessungen mit Schwingungsdaten von Elektromotoren nimmt ständig zu. Branchenführer wie EOMYS und Dewesoft entwickeln neue Techniken und Technologien, um diese effizienter und mit einem höheren Automatisierungsgrad durchzuführen, um den Anforderungen des Elektrofahrzeugmarktes gerecht zu werden.