Franck Beranger

Dienstag, 7. Februar 2023 · 0 min read

by Eiffage Energie Systèmes – Clemessy

Maschinenzustandsüberwachung an der Jacques-Chaban-Delmas-Brücke

Zur Untersuchung von Geräuschquellen und Erhöhung der Gesamtqualität der vorausschauenden Instandhaltung beschloss Clemessy, Schall- und Schwingungsüberwachungssensoren zur Beobachtung der kinematischen Kette – also der Maschinerie – und der Hauptrollen auf beiden Seiten der Brücke zu installieren. 

Die Herausforderung bestand darin, die am besten geeignete Datenerfassungsarchitektur und Überwachungstechnologie für diese Messinstrumente und die großen Kabellängen zu bestimmen und die Dewesoft-Datenerfassungslösung mit der Kundendatenbank zu verknüpfen.

„Die Schaffung einer Überquerung über die Garonne für Autos, Fußgänger und Fahrräder sowie – zu einem späteren Zeitpunkt – für eine Straßenbahnlinie“ und „die Ermöglichung der Durchfahrt von Wasserfahrzeugen und insbesondere von sehr großen Schiffen“ – das waren 2003 die wesentlichen Projektanforderungen für eine neue Garonnebrücke im Zentrum von Bordeaux (Frankreich).

Das Resultat des Projekts ist die Pont Jacques Chaban-Delmas, die längste Hubbrücke Europas mit einer Hauptspannweite von 110 m. Der Bau erfolgte zwischen 2009 und 2012, und die Brücke wurde im März 2013 eingeweiht.

Bordeaux, Dreh- und Angelpunkt des berühmten gleichnamigen Weinbaugebiets, ist eine im Südwesten Frankreichs in einem Ballungsraum mit fast 1,2 Millionen Einwohnern am Fluss Garonne gelegene Hafenstadt. Die Garonne hat eine Länge von 602 Kilometern und mündet in den Atlantischen Ozean.

Die Brücke ist nach dem ehemaligen französischen Premierminister Jacques Chaban-Delmas (1915- 2000) benannt, der von 1947 bis 1995 Bürgermeister von Bordeaux war. Nachdem er während des Zweiten Weltkriegs unter dem Decknamen „Chaban“ als General der französischen Armee im Widerstand gedient hatte, änderte er seinen Nachnamen nach dem Krieg formell in Chaban-Delmas.

Heute verbindet diese fünfte Garonnebrücke in der Stadt den östlichen und den westlichen Teil von Bordeaux, also das Stadtzentrum in der Nähe der Kaianlagen am linken Ufer mit dem rechten Ufer und damit die Stadtteile Bastide und Bacalan. Diesem Umstand verdankt die Brücke auch ihren Spitznamen „Le Pont Ba-Ba“.

Die Jacques-Chaban-Delmas-Brücke

Eine Hubbrücke ist eine ungewöhnliche Lösung zum Überspannen eines von großen oder hohen Schiffen befahrenen Flusses; die Querung sollte es der Stadt aber erlauben, vom Aufschwung des Kreuzfahrtgeschäfts zu profitieren. Das Bauwerk, das ebenso hoch ist wie die weiter flussabwärts gelegene Autobahnbrücke Pont d’Aquitaine, sollte in maximal 12 Minuten geöffnet werden können.

Der Entwurf stammt vom Architekturbüro SARL Architecture et Ouvrages d'art. Für die Bauplanung und die Projektleitung im Rahmen des mit der Umsetzung beauftragten und von der Firma GTM geleiteten Konsortiums zeichneten Egis JMI, die Architekten Thomas Lavigne und Christophe Cheron, Hardesty & Hannover und der Design-Ingenieur Michel Virlogeux verantwortlich.

Die Brücke ist insgesamt 433 m (mit Zufahrtswegen 575 m) lang. Davon entsprechen 117 m der zentralen Brückentafel, die als Ganzes senkrecht um bis zu 58 m angehoben wird, um große Schiffe passieren zu lassen. Die Höhe der vier freitragenden Pylontürme beträgt 77 m, der Abstand zwischen den beiden Turmpaaren 110 m.

Die angehobene Brückentafel ist rund 2600 t schwer. Vierzig mit Gegengewichten ausgestattete Seile von je 69 Metern Länge sind über Umlenkrollen in der Spitze der vier Pylone mit diesem mittleren Brückensegment verbunden. 

Die Breite der Brücke variiert je nach Abschnitt zwischen 32 m an den Widerlagern und 45 m im mittleren Teil. Die Nutzbreite beträgt 27 Meter, davon sind insgesamt 15 Meter dem öffentlichen Nahverkehr sowie zwei Fußgänger- und Fahrradwegen vorbehalten, während die restlichen 12 Meter für leichte Fahrzeuge und Lkw zur Verfügung stehen. Die Fußgänger- und Fahrradwege sind vom motorisierten Verkehr getrennt und werden außen an den Pylonen vorbeigeführt.

Die Brücke ist für bis zu 43 000 Fahrzeuge pro Tag ausgelegt. Sie wird rund sechzig Mal pro Jahr angehoben, um größere Schiffe passieren zu lassen, wobei der überquerende Verkehr jeweils für etwa eine Stunde gestoppt wird. Das vollständige Anheben bzw. Absenken der Brücke dauert nur etwa 11 Minuten.

Videopräsentation der Maschinenzustandsüberwachung auf der Chaban-Delmas-Brücke

Prädiktive Instandhaltung – Permanente Überwachung

Für den Betrieb und die Instandhaltung des Bauwerks ist Eiffage Energie Systemes - Clemessy zuständig, eine Filiale von Eiffage, einem der fünf größten Bau- und Konzessionsunternehmen in Europa. Clemessy ist auf die Planung und Umsetzung industrieller technischer Anlagen spezialisiert.

Bei der Jacques-Chaban-Delmas-Brücke handelt es sich um ein Bauwerk, das in der Lage ist, eine 2750 Tonnen schwere Brückentafel in 11 Minuten auf eine Höhe von 53 Metern anzuheben, um die Durchfahrt von Jachten, Fähren oder Segelbooten zum oder vom Hafen von Bordeaux zu ermöglichen.

Der Hebemechanismus funktioniert nach dem Prinzip eines gigantischen Aufzugs und erfordert ein zehn Mitarbeiter umfassendes Team. Zwei Bediener steuern von einem Kontrollturm aus das Manöver, während der Rest des Teams auf die verschiedenen strategischen Punkte unten an der Brücke verteilt ist. Darüber hinaus ist das Team für die Wartung der lebenswichtigen Maschinerie zuständig: 

  • der Motoren, 

  • der Wellen, 

  • der mächtigen Kabel und 

  • der Umlenkrollen.

Nach monatelangem Betrieb und zahlreichen Manövern stellte das Wartungsteam schlagende und klickende Geräusche fest. Zur Untersuchung ihres Ursprungs  und zur Erhöhung der Gesamtqualität der vorausschauenden Instandhaltung beschloss Clemessy, Schall- und Schwingungssensoren zur Beobachtung der kinematischen Kette – also der Maschinerie – sowie der Hauptrollen auf beiden Seiten der Brücke zu installieren.

Die Investition in Datenerfassungsinstrumente für den mechanischen Betrieb der Brücke lag in der Verantwortung des Eigentümers, der Stadt Bordeaux, während Clemessy das Projekt betreute. Die Brücke selbst ist im Wesentlichen mit IEPE-Sensoren - Beschleunigungsmessern und Messmikrofonen - ausgestattet, während Stromsensoren und Tachometer nur für die Maschinerie verwendet werden.

Übersicht des Instrumentierungsbedarfs in Bezug auf die Anzahl und Positionen der Sensoren (eine Brückenseite)

Messanordnung

Zu achten ist beim Brückenmonitoring zum Beispiel auf Vibrationen und unerklärliche Geräusche (z. B. Klopfgeräusche). Dabei handelt es sich um Phänomene mit Bandbreiten unter 10 kHz, so dass die maximal erforderliche Abtastrate 20 kHz betrug. Dies entsprach perfekt der maximalen Abtastrate von KRYPTON, einem robusten und verteilten EtherCAT-Datenerfassungssystem für Feldmessungen in jeder Umgebung.

KRYPTON-Datenerfassungssysteme aben die Schutzart IP67 und sind für extreme Temperaturen zwischen -40 °C und +85 °C geeignet.

Die komplette Instrumentierung umfasst 82 analoge Eingangskanäle, verteilt auf die beiden Seiten der Brücke, also 41 Kanäle auf jeder Brückenseite mit je zwei Umlenkrollen:

  • 1 x Datenerfassungssystem KRYPTON-8xACC

  • 6 x Beschleunigungssensor mit Bandbreite 5 kHz (SR = 10 kS/s)

  • 2 x Mikrofon mit Bandbreite 10 kHz (SR = 20 kS/s)

Messanordnung für jede der vier Umlenkrollen der Brücke
Layout der Hebemaschinerie

Maschinenzustandsüberwachungssystem für jeden der vier Brückentürme:

KRYPTON-Datenerfassungsmodule in der Maschinerie

Diese Anwendung benötigte die mathematischen Verarbeitungswerkzeuge der Datenerfassungssoftware DewesoftX für die Berechnung statistischer Echtzeit-Parameter für jeden Schwingungssensor. Der wesentliche Point-of-Interest der Untersuchung lag dabei nicht in den Zeitkanälen, sondern in den einzelnen Eingangssensoren, die der Kunde benötigte, um statistische Indikatoren zum Abgleich mit den Alarmschwellen zu berechnen. Für dieses Projekt wurde auch ein Alarmzähler eingerichtet.

Indikatoren-Auswahlliste

SensortypINDIKATORBANDBREITEMittelungszeitUnitType
BeschleunigungssensorenMaschinerieGlobalniveau Geschw. (niedrige Frequenz)(mm/s RMS)[1-1000 Hz]10 secmm/sRMS
Globalniveau Geschwindigkeit(mm/s RMS)[3-1000 Hz]3 secmm/sRMS
Globalniveau Beschleunigung(g RMS)[200-2000 Hz]1 secgRMS
Globalniveau Beschleunigung(g RMS)[2000-8000 Hz]1 secgRMS
Globalniveau Beschleunigung(g cc)[10-8000 Hz]500msgPeak-to-peak
Schockzähler GLApkpk
Alarme mit unterschiedlichen Schwellen für jeden Indikator
Strom/GeschwindigkeitElektromotorStrom (A RMS)0,5ARMS
GeschwindigkeitrpmRMS
Mikrofone/BeschleunigungssensorenHauptrollenGlobalniveau Mikrofon (dB pkpk)[10-8000 Hz]dBSpitze-Spitze
Globalniveau Beschl. (g pkpk)[10-8000 Hz]gSpitze-Spitze
Schockzähler (GLM)
Max. Schockpegel

Die Herausforderung bestand darin, die für die Instrumentierung am besten geeignete Datenerfassungsarchitektur zu bestimmen, da sich einige Sensoren für die Überwachung der Umlenkrollen oben in den Pylonen befinden. Auf jeder Brückenseite gibt es zwei 77 Meter hohe Pylone, in deren Spitze keine Stromquelle zur Verfügung steht.

KRYPTON-Datenerfassungsmodule auf Grundlage der EtherCAT-Protokolltechnologie erlauben es, mit einem Kabel Abstände bis zu 100 Meter zwischen einzelnen Modulen zu überbrücken, um Verstärker miteinander zu verbinden. Dabei wird für Daten, Strom und Synchronisation nur ein einziges Kabel zwischen den Datenerfassungsmodulen benötigt.

Das robuste DAQ-Modul und EtherCAT waren die beiden Hauptgründe für die Entscheidung für KRYPTON. Sie boten die einzige Lösung zur Platzierung des Datenerfassungssystems in der Spitze der Pylonen ohne die Erfordernis umfangreicher Investitionen.

Die Source Measure Unit (SMU) ist in der Lage, gleichzeitig zu versorgen und zu messen. Sie bietet nicht nur eine präzise Spannungs- und Stromerzeugung, sondern simultan auch eine präzise Spannungs- und/oder Strommessung.

Gesamtaufbau der Messinstrumente an den Pylonen und der Brückenstruktur

Verbindung des Datenerfassungssystems mit einer vorhandenen Datenbank – OPC UA

Eine weitere Herausforderung – und nicht die geringste – bestand darin, die Datenerfassungslösung von Dewesoft über OPC UA mit der Datenbank des Kunden zu verbinden, um die Daten in einer Internet-der-Dinge-Lösung zu nutzen. Der Schlüssel zu dieser Anwendung war das OPC-UA-Server-Plugin. OPC Unified Architecture (OPC UA) ist ein Maschine-zu-Maschine-Kommunikationsprotokoll für die industrielle Automation, das von der OPC Foundation entwickelt wurde. Dieser Standard wird in der Industrie 4.0 häufig für die Kommunikation und den Datenaustausch zwischen verschiedenen Geräten genutzt.  

Die Datenerfassungssoftware DewesoftX  bietet zwei OPC-UA-Optionen, die integriert werden können:

  • OPC-UA-Client: Der Client kann verbunden werden, um auf Daten zuzugreifen, die von einem beliebigen OPC-UA-Server bereitgestellt werden.

  • OPC-UA-Server: Der Server kann DewesoftX-Messdaten für einen oder mehrere OPC-UA-Clients bereitstellen.

OPC UA-Webinar von Dewesoft zur Erläuterung der OPC UA-Server- und OPC UA-Client-Funktionalität in der Datenerfassungssoftware DewesoftX

Beim Anheben der Brücke befinden sich die Mitglieder des zustandsorientierten Wartungsteams nicht vor dem Dewesoft-System, sondern verwenden eine spezifische lokale Webschnittstelle, die nur Statistiken und Berichte über das Manöver liefert. Die CLEMESSY-Datenbank sammelt Informationen vom Dewesoft OPC-UA-Server, wie z. B. Alarmschwellen, Alarmnummern, Schockzählung, statistische Pegel für Beschleunigungsmesser/Mikrofone und Datenerfassungsstatus.  

Die Clemessy-Datenbanklösung heißt Smart Forest. Mehr als eine einheitliche Datenbank ist Smart Forest eine globale Lösung, einschließlich

  • einer Softwareplattform für große Datenmengen,

  • einer mehrkanaligen Multi-Source-Schnittstelle für die Datenerfassung,

  • einer KI-Engine und

  • einer modularen und benutzerfreundlichen HMI.

Bedienerbildschirme auf lokalen Webschnittstellen zeigen Werte für Alarmschwellen, Alarmnummern, Schockzählung, statistische Pegel für Beschleunigungsmesser/Mikrofone und Datenerfassungsstatus an

Fazit

Dewesoft – bewährter Partner von Clemessy Frankreich – war in der Lage, eine komplette Hardware- und Softwarelösung für die Datenerfassungs- und Überwachungsinstrumentierung der gesamten Brücke anzubieten, die auch tatsächlich den Zuschlag bekam.

Um die Projektfristen zu optimieren, bereitete Dewesoft die Konfiguration bereits vor der Auslieferung vor. Nach Lieferung der Hardware wurde die Architektur dann getestet und die Konfiguration bewertet und verbessert – zunächst im Labor, anschließend während der Installation vor Ort. 

Die Datenerfassungssoftware DewesoftX ist intuitiv und sehr einfach zu bedienen, die Einrichtung von 82 KI-Kanälen, die Hinzufügung von 800 mathematischen Berechnungen, die Konfiguration von 800 Alarmen und die Erstellung einer übersichtlichen, fehlerfreien Anzeige nimmt aber trotzdem einige Zeit in Anspruch.

Die Architektur der Dewesoft-Datenerfassungsinstrumentierung

Die proaktive Unterstützung und gute Kommunikation halfen, das Projekt pünktlich fertigzustellen und jegliche Überraschungen und Probleme im Zusammenhang mit der verteilten Datenerfassungsarchitektur und ihren großen Kabellängen zu vermeiden. Schon das erste Manöver der Brücke mit der Dewesoft-Lösung verlief erfolgreich. Im Anschluss wurde die Dewesoft-Anordnung in Zusammenarbeit mit dem Kunden weiter verfeinert, und es wurde eine Sequenz hinzugefügt, um einen reibungslosen Betrieb ohne Eingriffe des Wartungsteams zu garantieren.

Dewesoft bietet eine Reihe von Datenerfassungslösungen  an, in denen innovative Hardware- und Software-Technologien wie das OPC-UA-Server-Plugin kombiniert werden, die die Instrumentierungsanforderungen von großen Ingenieurbauwerken wie Brücken, Tunneln, Gebäuden usw. erfüllen.  

Mit einer einzigen Software analoge Daten erfassenOnline-Berechnungen durchführen, Alarmsteuerungssysteme verwalten und unter Nutzung des aktuellsten IdD-Protokolls Daten übertragen zu können, ist für Kunden ein großer Vorteil und war in diesem Fall ein Grund für den Erfolg. Das Ergebnis: zuverlässige Daten, präsentiert über eine intelligente Benutzerschnittstelle.