Carsten Frederiksen / Giorgio Sforza

Dienstag, 14. März 2023 · 0 min read

ESSEBI s.r.

Betriebsmodalanalyse (OMA) und Langzeit-Strukturüberwachung einer Ladebrücke

Die Modalanalyse spielt eine wesentliche Rolle beim Verständnis und bei der Optimierung des inhärenten dynamischen Verhaltens von Strukturen. Im Hafen von Vado Ligure in Italien wird derzeit kontinuierlich der Einfluss der Meereswellen auf eine Ladebrückenstruktur überwacht. 

Das System erlaubt die Kontrolle der Entwicklung des Zustands der Struktur über die Zeit durch die Erfassung  ihres dynamischen Verhaltens mit Hilfe einer Reihe integrierter Messverstärker mit eingebauten MEMS-Beschleunigungssensoren des Typs  IOLITE 3xMEMS-ACC von Dewesoft, die an der Struktur angeordnet und zu einer Messkette verbunden sind.

Der Hafen von Vado Ligure liegt in der nordwestitalienischen Region Ligurien, westlich von Genua und am nördlichen Ufer des Mittelmeers. Der große Industrie- und Handelshafen verfügt über Piers zum Laden und Löschen von Kohle und Öl und über ein Fährterminal, das Vado Ligure mit den Inseln Korsika und Sardinien verbindet.

Hier wurden die Structural-Health-Monitoring-Systeme an einer 800 Meter langen Ladebrücke installiert, um das Verhalten der Struktur unter dem Einfluss starker Meereswellen zu überprüfen.

Die Ladebrücke gehört der Esso Italiana S.r.l. und erlaubt das Be- und Entladen von Tankschiffen. Sie ist über eine Pipeline mit einem Liegeplatz verbunden, von dem aus Grundöle für Beimischungszwecke zur Weiterverarbeitung, Verpackung und Lagerung und zum Vertrieb zu einem Schmierstoffwerk gepumpt werden.

Modalanalyse und OMA

Die Modalanalyse  spielt eine wesentliche Rolle für das Verständnis und bei der Optimierung des inhärenten dynamischen Verhaltens von Strukturen. Schwingungstechnische Probleme bei Strukturen sind fast immer auf strukturellen Schwächen zurückzuführen, die mit dem Resonanzverhalten, also der Anregung der Eigenfrequenzen durch Betriebskräfte, zusammenhängen.

Bei vielen Ingenieurbauwerken und mechanischen Strukturen ist die Anregung mithilfe eines Hammers oder Shakers aufgrund ihrer Größe, Form oder Lage schwer zu bewerkstelligen. Außerdem werden Ingenieurbauwerke durch Umgebungskräfte wie Wellen, Wind oder Verkehr belastet. Diese Eingangskräfte lassen sich nicht ohne Weiteres kontrollieren oder korrekt messen. In manchen Fällen ist es jedoch zweckmäßig, diese natürliche Anregung der Struktur unter echten Betriebs- und Rahmenbedingungen zur Bestimmung ihrer modalen Eigenschaften zu nutzen.

Die Betriebsmodalanalyse (OMA) basiert darauf, dass zur genauen modalen Identifikation einer Teststruktur ausschließlich ihre Antworten unter tatsächlichen Betriebsbedingungen – also ohne künstliche Anregung – gemessen werden und wird oft eingesetzt, wenn es schwierig oder unmöglich ist, eine künstliche Anregung der Struktur zu kontrollieren.

Das Maschinenbauteam von Dewesoft beim Platzieren von Beschleunigungssensoren und Shakern für eine Betriebsmodalanalyse im Forschungs- und Entwicklungsbereich der Firmenzentrale

Das als Betriebsmodalanalyse (Operational Modal Analysis, OMA) bekannte Verfahren wird mitunter auch als Output Only bezeichnet, da nur die Antwort der Struktur in normalen Betrieb ohne zusätzliche äußere Anregung analysiert wird. Nach der Behandlung mit geeigneten Algorithmen zur modalen Extraktion ermöglichen diese Daten die korrekte Identifizierung der modalen Parameter.

Das gesamte dynamische Verhalten einer Struktur kann als Reihe einzelner Schwingungsmoden betrachtet werden, von denen jede eine charakteristische Eigenfrequenz, Dämpfung und Form hat. Durch die Verwendung dieser dynamischen Systemeigenschaften im Bereich der Frequenz – der modalen Parameter – zur Modellierung der Struktur, können Probleme bei bestimmten Resonanzen analysiert und dann gelöst werden.
Durch modale Identifikation lassen sich die Eigenschaften der modalen Parameter einer Struktur bestimmen. Bei diesen Parametern handelt es sich um die spezifischen Frequenzen der Struktur mit den zugehörigen Dämpfungs- und Modenformen. Die Kenntnis der modalen Parameter ermöglicht die Vorhersage der Antwort der Struktur auf bestimmte äußere Anregungen.

Man weiß, dass die Schwingungsmoden der Struktur Aufschluss über die relative Bewegung der Elemente, aus denen die Struktur besteht, geben, wenn sie mit einer bestimmten Frequenz belastet wird. Wenn die Struktur einer Wirkung ausgesetzt ist, die mehr als eine Frequenz anregt, ergibt sich die Art und Weise, in der die Struktur schwingt, aus der Kombination der angeregten Schwingungsmoden. 

Diese Parameter stellen somit gewissermaßen einen dynamischen „Fingerabdruck“ der Struktur dar, der für die Validierung von Berechnungsmodellen, für deren Kalibrierung oder für Diagnosezwecke verwendet werden kann und damit eine Grundlage für die langfristige Strukturüberwachung bietet.

Die Messungen

Die Erfassung dynamischer Parameter ermöglicht es, die Beständigkeit der strukturellen Gegebenheiten in Bezug auf einen präzisen Zeitpunkt T0 zu verifizieren. Im Allgemeinen kann dieser Zeitpunkt T0 für neue Strukturen im Moment der Prüfung bestimmt werden, während bei bestehenden Strukturen der Zeitpunkt genommen werden kann, in dem eine Bewertung des Zustands der Struktursicherheit durchgeführt wird und die ersten Messungen stattfinden.

In unserem konkreten Fall zeichnete das System die Daten an zwei separaten Tagen vor Beginn bzw. nach Abschluss der Instandsetzungsarbeiten an einem der Pfeiler am 28. Dezember 2018 auf. Dadurch war es möglich, die Auswirkungen der Sanierungsmaßnahmen zu bewerten und ein aktuelles Bild der dynamischen Eigenschaften der Struktur nach der Reparatur zu erhalten, das dann als Referenz für die Kontrolle des Erhaltungszustandes über die Zeit verwendet wurde.
Als dynamische Größe für die Messungen wurde die Antwort der Struktur in Bezug auf die Beschleunigung an einigen auf der Oberfläche der Plattform am Kopf der Ladebrücke angeordneten Messpunkten gewählt. Dazu wurden die vier – mit den Buchstaben A bis D bezeichneten – Eckpunkte des Grundrisses der Ladebrückenplattform instrumentiert.

Diese Messpunkte wurden mit je einem dreiachsigen Beschleunigungssensor vom Typ IOLITE 3xMEMS-ACC ausgestattet, wobei die X- und Y-Achsen jeweils an der horizontalen Ebene und die Z-Achse vertikal ausgerichtet wurden. Konkret verläuft die X-Achse in Bezug auf den Grundriss der Plattform rechtwinklig zur Längsachse der Ladebrücke und die Y-Achse parallel.

Datenerfassungsgerät IOLITEdi 3xMEMS-ACC von Dewesoft mit integriertem rauscharmem triaxialem MEMS-Beschleunigungssensor

Für die dynamische Charakterisierung der Struktur wurden an zwei separaten Tagen vor bzw. nach der Sanierung des B1-Pfeilers der Plattform Beschleunigungsmessungen durchgeführt, und zwar am 6. Dezember 2018 und am 4. Januar 2019. An jedem dieser Tage wurde das Signal von den Sensoren über einen Zeitraum von 60 Minuten erfasst, und auf Grundlage der akzelerometrischen Antwort in diesem Intervall wurden die modalen Eigenschaften der Struktur bestimmt.

Die Messungen wurden mit einer Abtastfrequenz von 100 Samples pro Sekunde durchgeführt. Dabei wurde ein geeignetes analoges Anti-Aliasing-Filter verwendet und eine Bandbreite bis etwa 40 Hz erreicht. Dadurch stand ein für die bei der untersuchten Struktur erwarteten Frequenzen mehr als ausreichendes Frequenzband zur Verfügung.

Die Dewesoft-Hardware zeichnet zeitbezogene Schwingungssignale auf, die die Software DewesoftX dann mittels Fourier-Transformation in frequenzbezogene Daten konvertiert
Abb. 2: Fotos der installierten Messinstrumente

Ein einfaches geometrisches Modell – ein auf die Messpunkte, die im Raum angeordneten Knotenpunkten entsprechen und durch Linien miteinander verbunden sind, bezogenes Einliniendiagramm – erlaubt eine unmittelbarere Wahrnehmung der Form.

Zur verbesserten Visualisierung der Modenformen wird das vereinfachte Eindrahtdiagramm (Drahtrahmen) mit den  gemessenen physischen Punkte A bis D  um zusätzliche Punkte ergänzt, die die Pfeilerbasen simulieren.

Abb. 3: Drahtgittermodell der Ladebrücke

Die Übersicht der Messergebnisse vom 6. Dezember 2018 und 4. Januar 2019 erlaubt den schnellen Vergleich der erhaltenen Analysen in Bezug auf Frequenz, Dämpfung und Hauptrichtung der zugehörigen Modenform.

Tabelle 1: Übersicht der Referenz-Messergebnisse
Formf [Hz] 6/12/2018f [Hz] 4/01/2019z [%] 6/12/2018z [%] 4/01/2019
Translatorisch X1,1711,2241,151,10
Torsional1,3031,3851,222,27
Translatorisch, rotiert um Y1,4531,5141,691,85
Translatorisch Y1,7171,8452,241,78

Die Frequenzen, die ausgehend von der Messung der akzelerometrischen Antwort am 4. Januar, also nach der am B1-Pfeiler durchgeführten Instandsetzung, ermittelt wurden, sind zwischen 4 % und 7 % höher als die am 6. Dezember ermittelten. Bei den Modenformen scheint es keine Änderungen gegeben zu haben. Somit belegen die modalen Parameter dieser Untersuchung der Struktur eine erhöhte Steifigkeit nach der Instandsetzung der Pfeiler.

Abb. 4: Translatorische Modenform X
Abb. 5: Torsionale Form
Abb. 6: Translatorische Modenform, rotiert um Y
Abb. 7: Translatorische Modenform Y

Fazit

Das verwendete Verfahren ermöglicht die Berechnung der spezifischen Frequenzen der Struktur in regelmäßigen Abständen und damit die kontinuierliche Überwachung der Struktur sowie den Vergleich mit den Daten, die zum als Referenz dienenden Anfangszeitpunkt ermittelt wurden.
Aufgrund der sehr geringen Kosten und kurzen Realisierungszeiten wird die Betriebsmodalanalyse (OMA) im Bauwesen immer häufiger zur Charakterisierung von Strukturdynamiken eingesetzt.

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