Georg Ofner

Donnerstag, 13. März 2025 · 9 min read

by Höhere Technische Bundeslehranstalt Graz-Gösting (HTL BULME)

Messung des Polradwinkels einer Synchronmaschine

Der Polradwinkel zwischen innerer induzierten Polradspannung und äußerer Netzspannung ist ein wichtiger Parameter für die Beurteilung und Bestimmung von Betriebspunkten bei Synchronmaschinen. Dieser Winkel kann aber nicht direkt gemessen werden. Mit Hilfe eines Inkrementalgebers auf der Welle kann in DewesoftX die mechanische Polradlage für Laborübungen ermittelt und mit visualisiert werden.

Die HTL BULME Graz-Gösting ist eine der renommiertesten technischen Schulen Österreichs und bekannt für ihre praxisorientierte Ausbildung. Sie bietet spezialisierte Bildungswege in den Bereichen Elektronik, Technische Informatik, E-Technologien sowie Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen.

Ein besonderes Merkmal der Schule ist die enge Verbindung von theoretischem Wissen und praktischer Anwendung. In modern ausgestatteten Werkstätten und Laboren erwerben die Schüler fundierte Kenntnisse über Materialien, Bauteile und technische Systeme. Die praxisnahe Ausbildung wird durch den Einsatz neuester Technologien wie CNC-Maschinen, VR-Brillen, 3D-Drucker und spezialisierte Labore für EMV, erneuerbare Energien, Fertigungstechnik und Messtechnik unterstützt.

Dank dieses innovativen Lehrkonzepts sind Absolventen der HTL BULME bestens auf die Anforderungen der Industrie vorbereitet und gefragte Fachkräfte in technischen Berufen.

Synchronmaschinen

Synchronmaschinen spielen für die elektrische Energieversorgung eine zentrale Rolle und entsprechenden wichtig ist das Verständnis der grundlegenden Betriebspunkte. Um dieses Verständnis aufzubauen, bedient man sich eines vereinfachten Ersatzschaltbildes (ESB), welches aus Polradspannung UP, synchronen Längsreaktanz Xd  und Netzspannung UN besteht. Die Polradspannung ist abhängig von der Wellendrehzahl und der Höhe des rotorseitigen Erregerstromes, die Frequenz ist zusätzlich noch mit der Polpaarzahl p verknüpft, die Netzspannung ist mit Spannungsamplitude und Frequenz fest.

Abbildung 1: Vereinfachtes Ersatzschaltbild der Synchronmaschine

Unter der Annahme des Verbraucherzählpfeilsystems kann die dazugehörige Maschengleichung erstellt werden.

\[ \underline{U}_p + jX_d \cdot \underline{I}_1 = \underline{U}_N \]

Anhand dieser Maschengleichung lässt sich ein überschaubares Zeigeriagramm ableiten, das zur Beschreibung und Beurteilung der Betriebspunkte herangezogen wird.

Abbildung 2: Zeigerdiagramm in der komplexen Ebene für Generator- und Motorbetrieb

Der Betriebspunkt der Synchronmaschine ist durch die Wirk- und Blindleistungsbilanz vorgegeben. Erstere wird durch das mechanische Wellendrehmoment beeinfluss und zweiteres durch die Größe der Polradspannung.

\[ M=-3 \cdot \frac{U_1 \cdot U_p}{X_d \cdot \omega_{syn}} \cdot \text{ sin} \ sin (\vartheta) \]
\[ P=-3 \cdot \frac{U_1 \cdot U_p}{X_d} \cdot sin (\vartheta)\]
\[ Q = 3 \cdot [\frac{U^2_1}{X_d} - \frac{U_1 \cdot U_p}{X_d} \cdot \text{cos} \ cos (\vartheta) ]\]

In all diesen Gleichungen tritt immer wieder der Polradwinkel J (den die Spannungs-zeiger UP und UN  einschließen) in Erscheinung.

Wie aus dem ESB ersichtlich ist, kann die innere induzierte Polradspannung UP nur bei offenen Klemmen und damit nicht mit dem Netz gekoppelt, gemessen werden. Bei Betrieb verhindert der Spannungsabfall UXd an der synchronen Längsimpedanz die Erfassung von UP und somit auch die direkte Bestimmung des Polradwinkels J .

Bevor die Synchronmaschine jedoch in Betrieb genommen werden kann, muss diese synchronisiert werden. Das setzt voraus, dass Spannungshöhe, Spannungslage, Frequenz und Phasenfolge des Netzspannungs- und Maschinensystems übereinstimmen. Wenn dies der Fall ist, sind die Spannungszeiger von UP und UN deckungsgleich und die Synchronmaschine kann stromlos mit dem Netz elektrisch verbunden = synchronisiert werden.

Dieser Synchronisationsvorgang wird ausgenutzt, um die induzierte Polradspannung uP(t) zu messen und ein virtuelles Spannungssignal im Math-Prozessor zu generieren, das mit dieser Spannung deckungsgleich ist. Mit Hilfe eines Lagegebers wird die mechanische Frequenz der Welle erfasst. In diesem Fall wird ein Inkrementalgeber verwendet, der 1024 Impulse pro Umdrehung liefert.

Abbildung 3: Zerlegter Inkrementalgeber, links Inkrement-Scheibe mit Stanzöffnungen, Null-Marke und optischer Quelle, rechts Detektoroptik mit Blende

Durch Zählen der Einzelimpulse und des Null-Impulses lässt sich die mechanische Position bzw. Winkel der Welle innerhalb einer Umdrehung und über mehrere Umdrehungen deren Frequenz / Drehzahl bestimmen.

Das virtuelle Spannungssignal wird mithilfe des gemessenen Wellenwinkels und einem Korrekturwinkel auf die induzierte Polradspannung uP(t) abgestimmt bis beide Signalverläufe deckungsgleich sind.

Figure 4. Induced magnet wheel voltage and virtual voltage signal with correction angle.

Da die mechanische Verbindung von Polrad und Welle fix ist korreliert das virtuelle Spannungssignal mit der realen induzierten Polradspannung. Damit ist es möglich den Polradwinkel über den Vergleich der Netzspannung mit dieser virtuellen Spannung zumessen. Konkret erfolgt dies durch die Messung der Phasenverschiebung zwischen beiden Spannungssignalen. Abhängig vom Betriebspunkt eilt die virtuelle Spannung der Netzspannung vor oder nach, im ideellen Leerlauf sind beide deckungsgleich.

Figure 5. Vector diagram in the complex plane for idle, motoring, and generating operation.

Wichtig zu erwähnen ist, dass beide Spannungssignale die idente Frequenz besitzen bzw. die Spannungszeiger durch die Interaktion der magnetischen Felder von Polrad und Ständer synchron umlaufen und über eine gedachte „magnetische Feder“ verbunden sind. Abhängig vom Wellendrehmoment wird diese Feder mehr oder weniger gespannt (siehe Formel zur elektrischen Leistung und Drehmoment). Der theoretische maximale Polradwinkel für einen stabilen Betriebspunkt liegt bei 90°. Um ein Außertrittfallen der Synchronmaschine zu vermeiden, liegt der reale Polradwinkel aus Sicherheitsgründen deutlich niedriger. Zwischen (elektrischem) Winkel und mechanischem Winkel der Welle muss noch die Polpaarzahl p berücksichtig werden.

\[ \alpha_{mech}= \frac{\alpha_{elek}}{p}\]

Praktische Umsetzung im Labor

Die praktische Umsetzung erfolgt im neuen „Labor für Elektromobilität“ in dem diverse Antriebmaschinen und Frequenzumrichter mit dazugehöriger Messtechnik zur Verfügung stehen. Die Schüler und Schülerinnen arbeiten dort selbständig und bauen unter Anleitung die Messschaltungen auf. Sie stellen selbständig Betriebspunkte ein und erfassen die Messdaten wie Strom-, Spannungs- und Leistungswerte. Sehr hilfreich und anschaulich ist bei der Leistungsmessung das Zeigerdiagramm. Hier kann rasch der eingestellte Betriebspunkt erfasst werden.

Die zu untersuchende Synchronmaschine ist über eine Zwischenwelle, welche den Inkrementalgeber trägt, mit der Belastungsmaschine mechanisch gekuppelt. Elektrisch wird sie über eine spezielle Synchronisations-Schalttafel ans Drehstromnetz geschaltet. Die Betriebspunkte werden über die Drehmomentvorgabe der Belastungsmaschine und den DC-Erregerstrom (dieser wird über Schleifringe auf den drehenden Rotor übertragen) vorgegeben.

Abbildung 6: Antriebsstrang bestehend aus PM-Servomotor (links) als Lastmaschine und elektrisch erregter Synchronmaschine (rechts)

Um die elektrische Leistung zu erfassen, wird eine 4-Leiter Messschaltung aufgebaut. Die Strangspannungen werden mit den HV-Eingängen direkt gemessen, für die Strom-messung werden Strommesszangen verwendet, die ein stromproportionales Spannungssignal liefern das mit den LV-Eingängen erfasst wird.

Abbildung 7: Fertig aufgebaute Messschaltung

Geräteliste

Zur Datenerfassung und -analyse verwenden wir ein Dewesoft SIRIUS-System. Dieses flexible und leistungsstarke Datenerfassungssystem bietet hochwertige Signalverstärker. Es funktioniert mit vielen Signalen und Sensoren. Dazu gehören:

  • Spannung

  • Strom

  • IEPE

  • Ladung

  • Voll-/Halb-/Viertelbrücke

  • LVDT

  • RTD

  • Thermoelemente

  • Widerstand

  • Zähler

  • Encoder

  • digitale Eingänge

Die SIRIUS-Systeme bieten je nach Aufbau einen hohen Dynamikbereich von bis zu 160 dB. Sie verfügen außerdem über eine galvanische Trennung und sind in den Konfigurationen USB, EtherCAT® oder Gigabit Ethernet erhältlich. Alle SIRIUS®-Instrumente werden mit der Datenerfassungssoftware DewesoftX geliefert. Der Encoder sendet ein hochfrequentes digitales Signal aus. Es erzeugt 1024 Impulse pro Umdrehung bei 1500 U/min, was 25,6 kHz entspricht. Die analogen Eingänge können diese Impulse nicht schnell genug erfassen. Daher verwenden wir die SIRIUS SuperCounter®-Eingänge für eine höhere Präzision. 

Diese SuperCounter®-Eingänge arbeiten mit einer Geschwindigkeit von 100 MHz. Sie haben 32-Bit-Auflösung und werden über LEMO 1B 7-polige Stecker angeschlossen. Die integrierte Mathematik berechnet Winkel und Frequenz. Es unterstützt Modi wie Ereigniszählung und Wellenform-Timing und funktioniert auch mit Winkelsensoren wie Encoder, Tacho und Geartooth. Weitere Informationen finden Sie in der Dewesoft-Online-Schulung zu digitalen Zählern.

Hardware:

  • SIRIUSi-HS-4xHV-4xLV+ läuft mit 20 kHz – ermöglicht eine Abtastrate von 1 MHz bei analogen Eingängen und 100 MHz bei digitalen Zählereingängen.

  • 3 x Fluke I30 Stromzangen, Hall-Prinzip, Messbereich +/-20 A.

  • 3 x D9m-BNC-Adapter

Software:

Abbildung 8: SIRIUS Messgerät im Einsatz (4 x HV, 3 x LV, 1x Digital)

Enkoder und Synchronisierung

Die mechanische Rotorlage wird über den Inkrementalgeber erfasst. Dieser ist als Hohlwellengeber ausgeführt und liefert 1024 Impulse pro Umdrehung sowie einen Nullimpuls. Dabei sind zwei Spuren A und B ausgeführt, die zeitlich 90° versetzt sind. Damit lassen sich nicht nur die Drehzahl, sondern auch die Drehrichtung feststellen.

Abbildung 9: Kopplung der beiden Maschinen über eine Zwischenwelle mit Hohlwellen-Inkrementalgeber

Die Konfiguration des Inkrementalgebers erfolgt über das einsprechende Menü. Nach wenigen Eingaben, wie der der Auswahl der Drehgebertype, Impulse pro Umdrehung und Auswahl der Einheiten, ist diese abgeschlossen. Als Messgrößen stehen nun der Winkel und die Drehzahl zur Verfügung.

Abbildung 10: Konfiguration des Digital-Eingangs mit dem passenden Inkrementalgeber

Mit Hilfe des mechanischen Winkels der Welle wird über eine Formel die virtuelle Polradspannung gebildet Abbildung 11. Dabei ist zu beachten, dass mit Radianten gerechnet, sowie die Polpaarzahl p berücksichtigt wird. In unserem Fall ist diese p=2. Da lediglich die Phasenverschiebung von Interesse ist, spielt die Amplitude keine Rolle. Um später die sehr praktische und anschauliche Zeigerdiagrammdarstellung einer Leistungsmessung zu nutzen, ist es notwendig ein zweites identes Signal zu bilden jedoch mit Ampere als Einheit. Damit kann eine einphasige Leistungsmessstelle eingefügt werden und der Spannungs- und Stromzeiger dargestellt werden. Ebenso kann der ermittelte Phasenwinkel zur Anzeige des Polradwinkels herangezogen werden.

Abbildung 11: Erstellen des virtuellen Sinus-Signals der Polradspannung
Abbildung 12: Einphasige Leistungsmessung mit dem virtuellen Signal als Strom

In Abbildung 13 sind die Zeitverläufe vor der Synchronisation abgebildet. Gut zu erkennen ist die Phasenverschiebung zwischen dennoch synchronen Spannungen von Polrad und Netz, erkennbar auch an der etwas zu niedrigen Drehzahl. Die Polrad- und die virtuelle Spannung sind mit Hilfe des Nullphasenwinkels gut abgeglichen, was sich in den identen Nulldurchgängen und den fast deckungsgleichen Zeigern zeigt.

Abbildung 13: Signalverläufe vor der Synchronisation
Abbildung 14: Signalverläufe bei Synchronisation (Lastfrei)

In Abbindung Abbildung 14 ist der Zeitpunkt nach der Synchronisation zu sehen. Beim Zuschaltaugenblick entsteht eine kleine Spannungsspitze, danach sind beide Spannungsverläufe deckungsgleich. Die Messung in Abbildung 15 zeigt, dass sich nicht ein idealer Leerlaufbetrieb mit I=0A einstellt. Aus den Messdaten erkennt man einen leicht motorischen Betrieb der Synchronmaschine, der Antriebsstrang wird mechanisch von dieser angetrieben (P>0, J<0). Das ist auch am Polradwinkel ersichtlich, der leicht negativ ist.

Abbildung 15: Signalverläufe nach der Synchronisation: Leerlaufbetriebspunkt, die Synchronmaschinen ist leicht motorisch,

Betriebspunkte

Die Folgenden Abbildungen zeigen diverse charakteristische Betriebspunkte:

AbbildungBeschreibung des Betriebspunktes
Abbildung 16Betriebspunkt: Generator, reine Wirkleistung
Abbildung 17Betriebspunkt: Generator, übererregt
Abbildung 18Betriebspunkt: Phasenschieber übererregt
Abbildung 19Betriebspunkt: Motor, übererregt
Abbildung 20Betriebspunkt: Phasenschieber, untererregt
Abbildung 21Betriebspunkt: Motor, reine Wirkleistung
Abbildung 22Betriebspunkt: Motor, an der Stabilitätsgrenze
Abbildung 23instationärer Betriebspunkt: Kippen mit ständigen Durchschlupfen der Maschine
Abbildung 16: Betriebspunkt: Generator, reine Wirkleistung
Abbildung 17: Betriebspunkt: Generator, übererregt
Abbildung 18: Betriebspunkt: Phasenschieber übererregt
Abbildung 19: Betriebspunkt: Motor, übererregt
Abbildung 20: Betriebspunkt: Phasenschieber, untererregt
Abbildung 21: Betriebspunkt: Motor, reine Wirkleistung
Abbildung 22: Betriebspunkt: Motor, an der Stabilitätsgrenze
Abbildung 23: instationärer Betriebspunkt: Kippen mit ständigen Durchschlupfen der Maschine

Fazit

Unsere Studie zur Visualisierung und Bestimmung des Lastwinkels einer Synchronmaschine liefert wesentliche Erkenntnisse. Diese helfen dabei, die Betriebspunkte und Synchronisationsprozesse zu verstehen, die erforderlich sind, um die Maschine stabil und effizient zu betreiben. Zur Messung des Lastwinkels können wir einen Inkrementalgeber und mathematische Methoden verwenden. Dieser Geber ermöglicht es, Phasenverschiebungen zu erfassen und die Maschine mit dem Netz zu synchronisieren.

Die Ergebnisse vertiefen unser Verständnis des Verhaltens von Synchronmaschinen und bieten praktische Laboranwendungen für Studierende, die sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fertigkeiten stärken. Die Resultate zeigen die Leistungsfähigkeit moderner Mess- und Analysetools zur Optimierung der Maschinenleistung und zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit elektrischer Systeme.

Im nächsten Schritt planen wir, unsere Berechnungen mithilfe des Dewesoft Motor Analysis-Plugins zu vertiefen.

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