Montag, 20. Februar 2023 · 0 min read
Katapult – Der Start-up-Beschleuniger in Zasavje
Eine einfache Idee des Teilens
Das erste Mal, dass ich vom Katapult-Projekt hörte, war 2014, als das große verlassene Gebäude eines gescheiterten Unternehmens in Trbovlje renoviert wurde. „Wir wollen eine Art slowenisches Silicon Valley erschaffen“, sagte Jure Knez, Präsident und Mitbegründer von Dewesoft, damals. „Hier in Trbovlje?“, fragte ich nach. „Ja, genau hier.“
Aber glaubte er das wirklich? Daran kann es keinen Zweifel geben! Als ersten Schritt hatte Dewesoft das benachbarte leer stehende, 2000 m² große Fabrikgebäude erstanden, in dem zuvor ein Teil der Firma Iskra untergebracht gewesen war. Es wurde renoviert und sollte Katapult beherbergen – einen Geschäftsbeschleuniger, in dem junge Unternehmen die Möglichkeit bekommen sollten, zu keimen und zu wachsen.
Eine Vision, treffend benannt nach der seit dem Altertum gebauten Wurfmaschine, mit der Steine über weite Distanzen geschossen werden können, oder vielleicht auch nach der gabelförmigen, mit einem Gummi ausgestatteten Schleuder, die von Kindern zum Schießen kleiner Steine benutzt wird.
Wir liefen um die Baustelle herum, während Jure begeistert ein detailliertes Bild des Katapult-Projekts zeichnete. Ich stellte mir eine ähnliche Arbeitsumgebung wie bei Google vor, wenn auch in einem deutlich kleineren Rahmen.
Eine bedürftige Gemeinschaft
Silicon Valley – das war ein hochfliegender Traum. Aber träumen ist ja nicht verboten ... Erlauben Sie mir, zu erwähnen, dass Trbovlje für uns Slowenen ein Ort ist, den man eigentlich nie besucht, es sei denn, man hat Verwandte, die früher in den Bergwerken beschäftigt waren.
Trbovlje, einst eine stolze Bergbaustadt, liegt im östlichen Zentralslowenien versteckt zwischen hohen Hügeln in einem 7 Kilometer langen, schmalen Tal an der Save. Die Stadt und die gesamte Zasavje-Region haben in den vergangenen Jahren durch den Zusammenbruch des Braunkohlebergbaus und der zugehörigen Industrieanlagen mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen gehabt.
Die Landschaft ist von großen leer stehenden und verfallenden Fabrikbauten geprägt. Der Schornstein eines stillgelegten Kohlekraftwerks – der mit 360 Metern höchste Schornstein Europas – ragt wie ein Landzeichen als eindrucksvolles Symbol des industriellen Verfalls aus ihr empor. Bei starkem Wind schwankt seine Spitze fast einen Meter hin und her.
Auch der Wille der Einheimischen schwankte, und ihre Hoffnungen schwanden, während die Arbeitslosenrate stieg. Betrug sie in Slowenien insgesamt etwa 13 %, so waren es in Trbovlje über 20 %. Junge Leute suchten anderswo nach Möglichkeiten und ließen die Älteren im buchstäblich engen Tal zurück.
Bei Dewesoft, das in Trbovlje gegründet worden war, entschied man sich jedoch, zu bleiben, obwohl der Ort von einer mutlosen, passiven Melancholie beherrscht wurde und sich in größeren Städten wie Ljubljana oder Maribor grundsätzlich sicher bessere Geschäftsmöglichkeiten bieten.
„Glaubst du wirklich, dass ihr in der Lage sein werdet, in einem Ort mit nur 13 000 Einwohnern den ganzen verfügbaren Raum zu füllen?“
„Ich weiß es nicht. Aber wir können es versuchen, nicht wahr?“ Er lächelte optimistisch.
Die Gründung eines Gründerzentrums
Jure Knez erläuterte mir die Gedanken der Dewesoft-Manager: „Unsere Heimatstadt hat uns viel gegeben. Es ist an der Zeit, etwas zurückzugeben. Uns hat die Redensart immer gefallen, dass es besser ist, jemandem das Fischen beizubringen, als den Fisch für ihn zu fangen.“
„Eines Tages betrachteten wir unsere Umsatzentwicklung und stellten fest, dass die Kurve in den ersten sieben Jahren eher langsam, danach aber steil nach oben zeigte“, sagte er und fuhr fort: „Um erfolgreich zu sein, brauchten wir eine ganze Reihe von Dingen und somit natürlich auch Zeit. Wir mussten Ausrüstung kaufen, eine Infrastruktur aufbauen, das Team verstärken und ausländische Märkte erschließen. Wir erkannten, dass unsere Erfahrung, unser Wissen, unsere Infrastruktur und unsere Verbindungen jungen Unternehmen effektiv würden helfen können.“
Das war der Ursprung der Vision von Katapult, einem Geschäftsbeschleuniger, dessen Hauptziel es ist, junge Unternehmer zu unterstützen und so zur Senkung der Arbeitslosigkeit in der Region beizutragen. Eine großartige Idee, die fast zu gut klang, um wahr zu sein.
Heute, fünf Jahre später, frage ich Jure: „Wie ist die Idee Wirklichkeit geworden?“
„Wie immer ist das Leben hier voller Zufälle“, sagt er und fragt zurück: „Kennst du die Firma Chipolo?"
Natürlich kenne ich sie. Sie stellt zum Beispiel elektronische Anhänger her, die helfen, verlorene Schlüssel zu finden.
„Dann hör zu: Chipolo verkaufte auf Kickstarter Anhänger für 300 000 Dollar! Sie mussten innerhalb weniger Monate mehr als 15 000 Stück produzieren und standen plötzlich vor dem Problem, die Entwicklung und den Produktionsaufbau in kurzer Zeit abschließen zu müssen.“
„Wir hatten genau zu der Zeit noch etwas Platz bei Dewesoft. Innerhalb weniger Stunden richteten wir einige Räume her und teilten uns das Gebäude. Bei der Entwicklung ihres Produkts halfen wir ihnen, indem wir Fragen beantworteten, die zumindest für uns einfach waren: Wer ist der beste Nickellieferant? Wie setzt man Löttechnik am besten ein? Wie exportiert man nach Russland? Was ist bezüglich der Exportzölle zu beachten? ...“
Nach fünf Jahren erzielt Chipolo nun einen Jahresumsatz von rund 4 Millionen Euro. Das Unternehmen hat sich zu einem der meistbeachteten Start-ups des Landes entwickelt und ist erfolgreich in einem Maß, wie man es in einem kleinen Markt mit nur 2 Millionen Einwohnern nur selten erlebt.
Jure fährt fort: „Wir haben festgestellt, dass Dewesoft über eine unglaublich gute Infrastruktur zur Unterstützung von Unternehmen verfügt, die physische Produkte herstellen. Und warum soll man anderen nicht auf diese Weise helfen? So ist die Idee von Katapult Wirklichkeit geworden.“
Katapult – der Traum ist Wirklichkeit geworden
Katapult ist seit 2016 aktiv, und ich stehe jetzt vor dem renovierten Gebäude. Modern und minimalistisch, sachlich und kreativ, zeitgemäß und stilvoll, und in der Kombination von Orange und Schwarz gehalten, die auch das Corporate Image von Dewesoft prägt.
Urša Poznič Gorsek, die Direktorin von Katapult, erwartet mich bereits am Eingang und empfängt mich mit einem kräftigen Händedruck und einem ehrlichen Lächeln – ich fühle mich sofort akzeptiert, zu Hause. „Komm, ich zeige dir unsere Einrichtungen“, lädt sie mich ein.
Urša ist Rechtsanwältin mit mehr als 18 Jahren Berufserfahrung: zwei Jahre bei der Firma Eti im nahe gelegenen Izlake und 16 Jahre als Direktorin in der Gemeindeverwaltung in Trbovlje.
Katapult verfügt heute über acht Büros, fünf Produktionsstätten, einen Konferenzsaal und diverse Besprechungsräume. Wir laufen zum Konferenzsaal, in dem es auch eine kleine Bar und einen gemütlich wirkenden, durch eine Glaswand abgetrennten weiteren Besprechungsraum gibt. Nur wenige Schritte entfernt steht ein Billardtisch. Interessant! Auch Spielkonsolen und ein Fernseher sind zu sehen – hier finden zweifellos entspannte Meetings statt.
Was ist das? Ich sehe ein paar Zimmer, in dem Betten stehen. „Schlafzimmer. Bei Start-ups wird oft von früh morgens bis in die Nacht hinein mit vollem Einsatz gearbeitet. Da kommt es manchmal gelegen, eine Schlafgelegenheit in der Nähe zu haben“, erklärt Urša.
Wir erreichen einen langen Flur. „Hier werden Raketen gebaut“, sagt sie. Raketen? „Ja, eine Gruppe junger Leute befasst sich hier mit Hybridraketen. Diese Leute sind großartig!“
Ich frage, wie viele Unternehmen Katapult gegenwärtig beherbergt.
„Bisher sind es zwölf vielversprechende Start-ups", antwortet Urša und nennt einige Beispiele: „Wie du gesehen hast, entwickelt Spacelink ein Raketentriebwerk. Später wollen sie eine Rakete bauen, die Mikro- und Nanosatelliten ins All befördern kann. Chipolo entwickelt und fertigt intelligente Anhänger, die helfen, Lagerartikel oder verlorene Gegenstände zu finden. QuickShoeLace ist für eine viel beachtete Kickstarter-Kampagne bekannt und stellt innovative Schnürsenkel her, die man nicht zu binden braucht. Aereform oder Aformx entwickelt mit Unterstützung der Flugschule Academy 4 einen Virtual-Reality-Flugsimulator.“
Sie holt schnell Luft und fährt fort: „Hillstrike will das Mountainbiken in den Schnee bringen, ihr Produkt ist eine Art Dreirad mit Skiern anstelle von Rädern. SOS School ist ein Online-Portal, das Kindern hilft, Mathematik besser zu verstehen. ZOYO stellt ein intelligentes Gerät her, das die Atmung, Herzfrequenz und Körpertemperatur eines Babys misst und so ein einfaches Heimmonitoring ermöglicht und MonoDAQ baut Einkanal-Messgeräte, die von der Software DewesoftX unterstützt werden.”
Raum, Mentoring und gegenseitige Unterstützung
Langsam beginne ich, an den hochfliegenden Traum zu glauben, dass sich dieser abgelegene Ort zu einem slowenischen Silicon Valley entwickeln könnte, in dem die besten Innovationen sprießen.
Wie also hilft Katapult diesen Unternehmen?
Andrei Morozov, CEO und Gründer von Flare, einem Unternehmen, das ein elektronisches Gerät herstellt, mit dem Eltern ihr Baby überwachen können, gibt einige Hinweise auf den Nutzen von Katapult: „Ich mag Katapult vor allem, weil es Start-ups eine Menge Hilfe bietet, von der Vermietung günstiger Räumlichkeiten bis hin zur Rechtsberatung. Außerdem kann man bei Katapult sogar schlafen, wenn man gerade sehr viel Arbeit hat. Auch dafür stehen sehr gute Räume zur Verfügung.“
Andrei sieht große Vorteile darin, dass die Einrichtungen geteilt werden: „Natürlich ist auch die Möglichkeit, größere Unternehmen wie Dewesoft und Chipolo zu treffen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, wertvoll für uns. Hier ist jeder bereit, zu helfen, egal welches Problem es gibt. Außerdem kommt man als Mitglied von Katapult in den Genuss von Rabatten auf Schaltungsentwürfe und bei der Bestellung von Komponenten, was Start-ups das Leben erheblich vereinfacht."
Urša, die selbst auch aus Trbovlje stammt, sagt: „Wir bieten Start-ups infrastrukturelle und beratende Unterstützung, ohne in ihre Eigentümerstruktur einzugreifen. Wir wollen die Unternehmen so weit unterstützen, dass sie Arbeitsplätze schaffen können. Dabei haben die einheimischen Jungen und Mädchen aus diesem Tal Vorrang.“
Sie lieben ihr Tal wirklich!
„Wir helfen jungen Unternehmen durch den Prozess der Industrialisierung, damit sie effektiver produzieren können und wachsen. Dafür bieten wir ihnen ein komplettes Dienstleistungsspektrum: Unterstützung beim Produktionsaufbau, Produkttests, die Vermietung von Räumlichkeiten zu erschwinglichen Preisen, Buchhaltungs- und Verwaltungsdienste, Unterstützung bei Beschaffung und Logistik, Hilfe beim Zugang zu ausländischen Märkten ...", erläutert sie.
Teilen heißt Geben und Nehmen
„Aber wie werdet ihr gefunden?“ Ich hatte keine geplanten Werbeaktionen oder Medienmitteilungen gesehen. Deshalb fand ich es interessant, dass sich das Gründerzentrum so schnell füllte.
„Es ist wahrscheinlich Mundpropaganda. Wir legen großen Wert auf Konzepte wie Zusammenarbeit und Fairness ... Einfach ausgedrückt: Sei ein guter Mensch und verhalte dich entsprechend. Ich denke, alle Menschen wollen in einer Umgebung mit echten Werten arbeiten. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum junge Menschen hierher kommen wollen. Manche betteln regelrecht darum, mit uns arbeiten zu dürfen. Sie können hier lernen und ihre Unternehmen frei entwickeln, ohne Angst haben zu müssen, dass jemand ihre Ideen oder ihr Projekt stiehlt. Langfristig zahlt sich das Handeln auf Grundlage der richtigen Werte immer aus. Immer!", stellt Urša mit Bescheidenheit in ihrer Stimme und ihrem Herzen fest.
Der Start-up-Inhaber Jure Zupanek erklärt: „Das Konzept und die Idee von Katapult an sich erschienen uns phänomenal, als wir begannen, unser Unternehmen aufzubauen. Wir träumten irgendwie davon und hofften, hier einen Platz zu bekommen, da wir alles direkt vor unserer Haustür haben würden.“
Jure steht hinter Ironate, einem Start-up, das hoch belastbare Pfannen aus Kohlenstoffstahl zum Backen von Pizzen auf normalen Küchenherden – also ohne Ofen – herstellt. Er sieht Katapult als einen Raum, in dem junge Unternehmen Wissen und Erfahrung, nicht zuletzt aber auch Hardware und andere Ausrüstungen miteinander teilen.
Er fügt hinzu: „Die Unterstützung, das Mentoring und die Erfahrung von Dewesoft machen hier bei Katapult alles so viel einfacher für uns, wenn wir irgendein Problem haben. Für junge Unternehmen ist dies wirklich ein Umfeld, das der freien Initiative und Kreativität förderlich ist, und es ist fast unglaublich, dass es so etwas hier bei uns in der Zasavje-Region gibt.“
Der andere Jure, Jure Knez, schließt sich uns an und erläutert weiter: „Katapult bedeutet auch Sicherheit. Wenn ein Unternehmen scheitert, gibt es viele Chancen, innerhalb von Katapult einen Platz in einem anderen Unternehmen zu finden; es gab bereits etliche erfolgreiche Wechsel. Es ist schon verrückt, wie gut eine solche sehr einfache Idee des Teilens und der Zusammenarbeit funktioniert. Bei Katapult gibt es keine Verlierer. Wir geben, wir nehmen, wir leben und wir arbeiten ... zusammen.“
Katapult würde noch mehr junge Unternehmen aufnehmen, aber momentan gibt es keinen Platz mehr. „Deshalb haben wir zusätzliche 500 m² gekauft, so dass ab dem 1. Oktober 2019 neue Start-ups hinzukommen können“, sagt Urša.
Globales Branding
Der neueste Zuwachs in Katapult ist die Marke More Than Beauty für modische Kleidung, Schuhe und Modeaccessoires. Das von Jelka Verk entwickelte Projekt will kreativen Einzelunternehmern einen neuen weltweiten Vertriebskanal bieten.
Jelka Verk, die Projektleiterin von More Than Beauty, erläutert: „Katapult ist für uns sehr wichtig, da es Unterstützung in Bereichen wie Infrastruktur, Entwicklung und Erfahrung bietet - und das ist genau, was wir im Moment am meisten brauchen.“
„Jure Knez und ich haben uns über das Projekt Miss Slovenia for Miss World kennengelernt“, sagt Frau Verk, die die Mutter von Miss Slowenien ist und zahlreiche Schönheitswettbewerbe in Slowenien organisiert. Ihr neues Projekt läuft unter dem Slogan „Unterstützen wir die Slowenier und Slowenien!“
„Wir fanden schnell eine gemeinsame Sprache und entwickelten die Marke More Than Beauty. Sie betont die Bedeutung engerer Verbindungen zwischen slowenischen Unternehmen, Künstlern und Sportlern. Wir wollen ein Synonym für Qualität sein und kreativen Menschen und Unternehmen die Möglichkeit bieten, sich mithilfe unserer Brand-Marketing-Unterstützung und über unsere globalen Vertriebskanäle zu promoten.“
Auch ich selbst
Je mehr ich über Katapult erfuhr, desto mehr wollte ich selbst daran teilnehmen.
Vor kurzen gründete ich eine Firma, den Verlag 5KA, und nutzte dabei Katapult, statt das Projekt alleine anzugehen. Dadurch verfügte ich über die Infrastruktur, das Know-how, die Verwaltung und die Versandarrangements, die mir meine Geschäftstätigkeit in dieser Anfangsphase des Unternehmens extrem vereinfachte oder gar erst möglich machte.
In wenigen Jahren hat sich Katapult in Slowenien zu einem Musterbeispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Unternehmen und Start-ups entwickelt – zwischen der Kreativität und Begeisterung des Anfängers und der Stärke und Weisheit des Erfahrenen, zwischen frischen Ideen und einer etablierten Organisation ... Vor allem aber zu einem Beispiel dafür, was sich mit einem einfachen Verbindungskonzept schaffen lässt.
Persönlich sehe ich den größten Mehrwert im hervorragenden Mentoring der Führungskräfte des erfolgreichen Unternehmens Dewesoft. In den Kernwerten von Dewesoft heißt es: „Wir respektieren unsere Gemeinschaft ... Wir nehmen positiven Einfluss auf die Umwelt und die Gesellschaft, in der wir leben.“ Katapult ist ein Beweis dafür, dass dies nicht nur leere Worte sind.
Trbovlje ist nicht länger ein Ort melancholischer Untätigkeit. Es wird nicht mehr von Kohle angetrieben, sondern von einer nachhaltigen Energie, die zu Aktivität anregt und Hoffnung weckt.