/ Simone Mozzon, Research & Applications Specialist and Marco Ramacciotti, Operations and R&D Manager, ISE

Montag, 24. Juni 2024 · 0 min read

ENEA - National Agency for New Technologies, Energy, and Sustainable Economic Development

Überwachung von strömungsinduzierten Schwingungen in einem Kernbrennstabbündel

Strömungsinduzierte Schwingungen (Flow-induced vibration, FIV) in Brennstabbündeln sind für die Auslegung und Sicherheit von Kernreaktoren von entscheidender Bedeutung. Das Verständnis dieser Schwingungen hilft, die Reaktorleistung zu optimieren und die Integrität der Brennelemente zu gewährleisten. ISE und die italienische Energie- und Umweltagentur ENEA untersuchten die Auswirkungen von FIV auf einen Brennelement-Prototyp. Die Schwingungen wurden durch einen Strom flüssigen Bleis bei hohen Temperaturen angeregt. Dewesoft lieferte die Hard- und Software zur Erfassung, Digitalisierung und Verarbeitung der Schwingungsdaten von 24 Dehnungsmessstreifen (DMS).

Ein (Kern-)Brennstabbündel ist ein Brennelement in Form eines Bündels von Brennstäben, die in einer bestimmten Konfiguration in einem Reaktorkern angeordnet werden. Jeder Brennstab besteht in der Regel aus einem langen, dünnen Hüllrohr, meist aus Zirkalloy, das mit Kernbrennstoff-Tabletten oder -Pellets gefüllt ist. Diese Pellets sind in der Regel aus angereicherten Uran- oder Plutoniumverbindungen hergestellt.

Kernbrennstabbündel spielen eine entscheidende Rolle beim Betrieb eines Kernreaktors. Während des Reaktorbetriebs erzeugt die Spaltung in den Brennstoffpellets Wärme. Diese Wärme kann Dampf erzeugen, der Turbinen zur Stromerzeugung antreibt. Von der Konfiguration und Anordnung der Brennelemente im Reaktorkern hängen eine effiziente Wärmeübertragung, die Gewährleistung der Reaktorstabilität und die Steuerung der Kernreaktion ab.

Unter strömungsinduzierten Schwingungen (FIV) versteht man das Phänomen, dass eine an einer Struktur vorbeiströmende Flüssigkeit Schwingungen in dieser Struktur anregt. Diese Schwingungen können in verschiedenen technischen Systemen auftreten, z. B. in Rohrleitungen, Wärmetauschern oder Kernreaktorkomponenten.

FIV kann durch verschiedene Faktoren entstehen, darunter der instationäre Charakter von Flüssigkeitsströmungen, Turbulenzen, Fluid-Struktur-Wechselwirkungen und Resonanzphänomene. Wenn die Frequenz der Flüssigkeitsströmung mit der Eigenfrequenz der Struktur übereinstimmt, kann es zu einer Resonanz kommen, die potenziell schädliche Schwingungen verursacht.

Die Partner

Die italienische Nationale Agentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (ENEA) ist eine öffentliche Einrichtung, die Forschungsaktivitäten sowie technologische Innovation fördert und Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung und den Bürgern und Bürgerinnen fortschrittliche Dienstleistungen in den Bereichen Energie, Umwelt und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung anbietet.

ISE wurde 1997 gegründet und ist ein Unternehmen für elektronische technische Systeme, das sich auf Beratungsdienste im Bereich der Anlagenzuverlässigkeit und -instandhaltung, technische Dienstleistungen auf dem Gebiet der prädiktiven Instandhaltung und Zustandsüberwachung sowie damit verbundene Schulungs- und Coachingaktivitäten spezialisiert hat. Das Unternehmen ist hauptsächlich auf den industriellen Markt ausgerichtet und in vielen verschiedenen Sektoren tätig, darunter Öl und Gas, Chemie und Petrochemie, Zement, Energie, Lebensmittel und Getränke, Pharma usw. 

Für den industriellen Markt und Erstausrüster (OEMs) bietet das Unternehmen auch Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in den Bereichen Datenerfassungssysteme, IIdD, Zeitreihendatenbanken, ML-Algorithmen und Komplettanwendungen für spezifische Anforderungen an. ISE entwirft und vermarktet außerdem Twise®-Produkte für prädiktive Instandhaltung, Zustandsüberwachung und Testaktivitäten.

Der Versuchsaufbau

Abb. 2: Darstellung von durch die Längsströmung einer Flüssigkeit in einem Kernbrennstab induzierten Schwingungen

Zum Verständnis und zur Abschwächung von FIV können geeignete Konstruktionsstrategien eingesetzt werden, wie z. B. Dämpfungsmechanismen, Änderungen der Strukturgeometrie oder Schwingungsisolierungstechniken. Ingenieure verwenden häufig Strömungssimulationen (Computational Fluid Dynamics, CFD) und experimentelle Tests, um das Verhalten von FIV in technischen Anwendungen zu analysieren und vorherzusagen. 

FIV sind ein wichtiges Kriterium bei der Entwicklung von Prototypen und der Montage von Kernreaktoren, die mit Brennstabbündeln arbeiten. Da das Kühlmittel im Reaktorkern um die Brennstäbe fließt, kann es Schwingungen in den Strukturbauteilen anregen. Diese Schwingungen können verschiedene Probleme verursachen, darunter Ermüdungsbrüche, Verschleiß und potenzielle Schäden am Reaktorkern. Das Verständnis und die Abschwächung von FIV spielen eine wesentliche Rolle für die Gewährleistung der Sicherheit und Effizienz bei der Auslegung und beim Betrieb von Reaktoren. 

Wir entwickelten ein Experiment zur Überwachung von FIV an einem Brennelement-Prototyp, bei dem durch die Längsströmung von flüssigem Blei bei Temperaturen von bis zu 550 °C Schwingungen induziert werden. Herzstück des Prototyps ist ein Teststrang, der ein sechseckiges Bündel von 37 Brennstäben umfasst. Jeder Stab besteht aus einem 1,7 m langen zylindrischen Hüllrohr, das mit perforierten Wolframcarbid-Pellets gefüllt ist, die das Vorhandensein von Kernbrennstoff simulieren. 

Der in Abb. 3 dargestellte Teststrang umfasst zudem Kupplungsflansche für die Verbindung mit dem Blei-Pumpsystem. Über ein Schwanenhalsrohr am oberen Ende des Teststrangs können die Instrumentierungskabel aus dem mit Blei gefüllten Abschnitt herausgeführt und an das Datenerfassungssystem angeschlossen werden.

Abb. 3: Darstellung des experimentellen Teststrangs

Aufbau des Überwachungssystems

Das Messsystem sollte die Amplituden und Frequenzen der Stabverschiebung anhand der Rohsignale von Dehnungsmessstreifen überwachen, die zu diesem Zweck im Teststrang installiert worden waren, und es uns erlauben, die charakteristische Unsicherheit der Messkette zu beurteilen. Dazu verwendeten wir ein aus den folgenden Komponenten bestehendes System:

  • 24 x KYOWA KHC – temperaturbeständiger Dehnungsmessstreifen (DMS)

  • 3 x Dewesoft SIRIUSie-8xSTGM – 8-kanaliges Datenerfassungssystem

  • KRYPTON CPU – robuster tragbarer IP67-Datenlogger und Datenverarbeitungscomputer

  • DewesoftX – Datenerfassungssoftware für Signalfilterung, Datenverarbeitung und Visualisierung.

Das Experiment erfolgte unter sehr anspruchsvollen Bedingungen: Das Überwachungssystem musste hohen Temperaturen und Drücken in einer korrosiven Umgebung (strömendes flüssiges Blei) standhalten, und der für die Installation der Sensoren verfügbare Raum war begrenzt. Da die üblicherweise zur Schwingungsüberwachung verwendeten Aufnehmer, wie z. B. Beschleunigungssensoren, für solche extremen Umgebungen ungeeignet sind, entschieden wir uns für dünne, temperaturbeständige KYOWA-KHC-Dehnungsmessstreifen, die auf den Stäben punktverschweißt wurden (siehe Abb. 4). 

Insgesamt brachten wir zur Erfassung der FIV-Moden 24 Sensoren auf vier Stäben an (je 2 DMS-Tripletts pro Stab, siehe Abb. 5). Wir wählten jeden Überwachungspunkt so aus, dass wir optimale Amplituden- und Richtungsmessungen der Schwingungen der Stäbe erhielten.

Das 8-kanalige SIRIUSie-8xSTGM-Datenerfassungsmodul von Dewesoft erwies sich als die am besten zur Erfassung und Verarbeitung der von den 24 Dehnungsmessstreifen erzeugten Signale geeignete Lösung. Das SIRIUS-System erlaubt Messungen mit hoher Auflösung (24-Bit-Delta-Sigma) und gutem Signal-Rausch-Verhältnis (mit einem Grundrauschen von -95 dB bei einer Bandbreite von 100 kHz) und bietet dabei ein modulares System, bei dem drei Geräte gekoppelt werden können, während die perfekte Datensynchronisation zwischen den Kanälen erhalten bleibt.

Die EtherCAT®-Schnittstelle vereinfacht den Anschluss an den PC. Wir entschieden uns für einen lüfterlosen Intel-NUC-Industrie-PC mit I7-Prozessor und 16 GB RAM. Unsere Lösung sehen Sie in Abb. 6.

Abb. 4: Punktgeschweißter Dehnungsmessstreifen auf einem Stab

Die mitgelieferte Datenerfassungssoftware DewesoftX verwendeten wir, um die einzelnen Signale zu filtern, die Daten zu verarbeiten und sie auf einem dedizierten Dashboard zu visualisieren. Wir erfassten die Signale mit einer Abtastrate von 5 kHz, reduzierten das Rauschen durch Anwendung eines Tiefpassfilters bei 30 Hz und mittelten das Ergebnis in Intervallen von 0,01 s.

Schließlich verarbeiten wir die resultierenden Signale mit zwei maßgeschneiderten, direkt in die DewesoftX-Software integrierten C++-Skripten.

Das erste Skript diente der Berechnung der Biegerichtung und des Krümmungsradius des Stabs an jedem Überwachungspunkt, das zweite berechnete aus diesen Informationen die Gesamtauslenkung des Stabes in Querrichtung. Das resultierende Überwachungssystem fungierte somit als Echtzeit-Tracker für die Querauslenkung jedes Stabes. Weitere Einzelheiten zur Datenverarbeitung finden Sie bei T. Rovai et al. (2023).

Abb. 5: Schematische, maßstabsgetreue Darstellung des experimentellen Teststrangs mit den Positionen der Dehnungsmessstreifen (rote Rechtecke)
Abb. 6: Datenerfassungs-Setup mit Dewesoft SIRIUS® STGM

Das Experiment

Zum Test des Überwachungssystems erstellten wir einen vereinfachten Testaufbau, bestehend aus einem mit drei DMS ausgestatteten Aluminiumrohr, wobei die Sensoren in der gleichen Triplett-Konfiguration wie auf den Kernbrennstäben angeordnet wurden. Wir brachten die DMS auf halber Rohrlänge an, um die erste Schwingungsmode des Rohrs zu erfassen. 

Wir erfassten die DMS-Signale mit einem Dewesoft KRYPTON® 3xSTG und extrapolierten die Amplitude der Querauslenkung des Stabes mit den gleichen C++-Skripten, die für den endgültigen Testaufbau entwickelt worden waren. Anschließend verglichen wir die erhaltenen Daten mit einer Messung eines analogen linearen Wegaufnehmers und stellten dabei eine starke Übereinstimmung der experimentellen mit den erwarteten Ergebnissen fest. Den Testaufbau sehen Sie in Abb. 7.

Abb. 7: Der Testaufbau

Abb. 8 zeigt das DewesoftX-Dashboard bei der Aufzeichnung eines mit dem Testaufbau durchgeführten Bump-Tests. Das Überwachungssystem erfasste die Schwingungen des Rohres. Die Software verarbeitete die Rohsignale des DMS-Tripletts und wandelte sie in eine Auslenkung auf der x-y-Achse um.

Abb. 8: Überwachung der Stabauslenkung in der DewesoftX-Datenerfassungssoftware

Anschließend testeten wir die Überwachungssysteme an den Brennstäben des Teststrangs mit dem Datenerfassungssystem SIRIUSie-8xSTGM von Dewesoft. Dabei führten wir erneut Bump-Tests durch, um die korrekte Rekonstruktion der Richtung und der Biegeamplitude zu überprüfen, und erhielten konsistente Ergebnisse. Mithilfe von DewesoftX entwickelten wir dann ein endgültiges Dashboard, das die von jedem einzelnen DMS-Triplett gemessenen Signale, die Gesamtauslenkung und eine grafische Darstellung der StabaAuslenkung auf der x-y-Achse umfasste. Abb. 9 zeigt eine Videoaufzeichnung des Dashboards während eines Bump-Tests an einem Brennstab.

Abb. 9: Videoaufzeichnung eines Bump-Tests an einem Brennstab. Das Dashboard wurde mit der Datenerfassungssoftware DewesoftX erstellt.

Wir konfektionierten das aus 37 Stäben bestehende Brennstabbündel, wobei wir vier Stäbe mit Dehnungsmessstreifen ausstatteten. Die endgültige Anordnung ist in Abb. 1 zu sehen. 

Schließlich überprüften wir noch einmal, ob die Sensoren die von der Schwerkraft verursachte Biegebewegung des Teststrangs erkennen konnten. Für diesen letztgenannten Test verwendeten wir denselben PC, der später auch beim Bleiströmungsexperiment zum Einsatz kam. Zu beachten ist, dass alle Tests bei Raumtemperatur durchgeführt wurden.

Fazit

Das eigentliche Experiment mit dem flüssigen Blei ist noch nicht abgeschlossen. In diesem Artikel präsentieren wir zunächst die Entwicklung eines Brennelement-Prototyps, bestehend aus einem Teststrang mit einem Bündel von 37 Brennstäben. Vier dieser Stäbe wurden mit je sechs temperaturbeständigen Dehnungsmessstreifen ausgestattet, um strömungsinduzierte Schwingungen zu überwachen und die Querauslenkung der Stäbe zu messen. 

Für die Datenerfassung verwendeten wir das SIRIUS-Datenerfassungsmodul von Dewesoft, das sich durch seine Anpassungsfähigkeit, Genauigkeit, Auflösung und Stabilität auszeichnet. Die Fähigkeiten des DewesoftX-Software-Frameworks erweiterten wir mit C++-Skripten, um anhand der von den DMS erfassten Dehnungen die Stabauslenkung zu berechnen und die verarbeiteten Daten auf einem maßgeschneiderten DewesoftX-Dashboard zu visualisieren. 

Dann testeten wir das System in einem vereinfachten Testaufbau und an den Stäben des Teststrangs und konnten bestätigten, dass es die experimentellen Anforderungen erfüllte. Schließlich verifizierten wir die Möglichkeit, aus der Messung der Stabverformung mit einer angemessenen Unsicherheit von etwa 10 % die Schwingungsamplitude abzuleiten. 

Die analysierten Messergebnisse wurden im Rahmen des 2023 IEEE International Workshop on Metrology for Industry 4.0 and IoT vorgestellt und veröffentlicht.