Konrad Schweiger / Vid Selič, Head of Application Center and NVH Product Manager, Dewesoft

Montag, 23. September 2024 · 0 min read

Wie genau ist die Messung der Schallleistung über die Schallintensität?

Die gebräuchlichste Methode zur Messung der Schallleistung von Geräten, z. B. Maschinen oder Haushaltsgeräten, ist das Hüllflächenverfahren mit mehreren Mikrofonen nach DIN EN ISO 3744 oder DIN EN ISO 3745. Man kann die Schallleistung aber auch mithilfe einer Schallintensitätssonde und zwei paarweise kalibrierten Mikrofonen bestimmen, was möglicherweise einfacher zu handhaben ist. Der Prüfingenieur bewegt sich dabei um den Prüfling herum und misst entweder an diskreten Punkten nach DIN EN ISO 9614-1 oder mit kontinuierlicher Abtastung nach DIN EN ISO 9614-2. 

Diese Methoden bieten einen tieferen Einblick in das Abstrahlverhalten des zu prüfenden Geräts anhand einer Schallkarte, und viele Geräuschprüfvorschriften nehmen auf sie Bezug, aber wie genau ist die Schallleistungsmessung eigentlich?

Bevor wir die verschiedenen Messprinzipien vergleichen, lassen Sie uns noch einmal wiederholen, was wir in der Dewesoft-Pro-Schulung über die Schallleistungsmessung gelernt haben.

Was ist Schallintensität?

Wir definieren die Schallintensität als Schallleistung pro Flächeneinheit. Sie hängt von der Entfernung zur Schallquelle und ihrer akustischen Umgebung ab. Die Schallintensität ist eine Vektorgröße, die die Menge und Richtung der Schallenergie beschreibt. Die Einheit für die Schallintensität ist [W/m2]. Sie berechnet sich als Produkt aus Schalldruck und Schallschnelle.

\[\overrightarrow{I}=p \overrightarrow{c}\]

Was ist Schallleistung?

Die Schallleistung ist eine Eigenschaft von Schallquellen, die in der Regel auf einer logarithmischen Skala als Schallleistungspegel ausgedrückt wird und der von einer Schallquelle abgegebenen Schallenergie pro Zeitspanne entspricht. Sie ist unabhängig von der Entfernung zur Schallquelle und daher praktisch zum Vergleich verschiedener Schallquellen. Die Schallleistung kann auf verschiedene Weise, entweder aus dem Schalldruck oder aus der Schallintensität, gemessen werden.

\[W=\int_{S} IdS= \sum^n_{i=1}I_iS_i\]

Was ist Schalldruck?

Der Schalldruck oder akustische Druck ist die durch eine Schallwelle verursachte Abweichung des lokalen Drucks vom Mittelwert des umgebenden Atmosphärendrucks. In der Luft wird der Schalldruck üblicherweise mit einem Mikrofon, im Wasser mit einem Hydrophon gemessen. Die Standardeinheit für die Schalldruckmessung im Internationalen Einheitensystem (SI) ist das Pascal (Pa).

Mathematisch gesehen ist der Schalldruck p wie folgt definiert:

\[p_{total}=p_{stat} + p\]

wobei

  • \(p_{total}\) der Gesamtdruck und

  • \(p_{stat}\) der statische Druck ist.

Das Dewesoft-Schallintensitätsmodul erfasst, berechnet und visualisiert alle drei oben beschriebenen Schallgrößen: Schallintensität, Schalldruckpegel und Schallleistungspegel.

Der Prüfling – Bezugsschallquelle (RSS)

Zur genauen Bestimmung der Schallstrahlung über einen weiten Frequenzbereich (100 kH – 20 kHz) griffen wir auf die Bezugsschallquelle B&K 4204 als Prüfgerät nach DIN EN ISO 6926[m1]  zurück.

Bei diesem Gerät handelt es sich um einen Radiallüfter, der ein konstantes, langzeitstabiles weißes Rauschen erzeugt. Es wird hauptsächlich in der Bauakustik, z. B. zur Bestimmung von Schallabsorptionen und -dämmungen von Räumen oder verschiedenen Materialien, eingesetzt und macht einen recht robusten Eindruck. 

Da die Schallleistung des Geräts bei den Messungen bei etwa 92 dB(A) lag, mussten wir industrietaugliche Ohrstöpsel als Gehörschutz tragen, der vorgeschrieben ist, wenn die Lärmbelastung am Arbeitsplatz 80 dB(A) überschreitet.

Der Kalibrierbericht war auf dem neuesten Stand, und die Messbedingungen waren wohlbekannt: Ein externes Kalibrierlabor ermittelte die Gesamtschallleistung und die einzelnen Oktavbänder in einem Halbfreifeld-Messraum (auf einer reflektierenden Platte) in Übereinstimmung mit den Präzisionsanforderungen von ISO 3745.

Abb. 1: Die Bezugsschallquelle auf der reflektierenden Platte

Geräteliste

  • Datenerfassungssystem Dewesoft SIRIUS mini, kompakter und tragbarer Schall- und Schwingungsanalysator, DB19008866, HW 4.0, FW 5.3.30.16, kalibriert am 26.06.2024, wie vorgefunden

  • DewesoftX2024.2 – Software für die Datenerfassung und digitale Signalverarbeitung

  • Sound-Intensity-Plugin - Plugin für Software DewesoftX

  • Schallintensitätssonde: GRAS 50GI-R, Seriennr. 482052

  • Schallkalibrator GRAS 42AG

  • Phasen-Kalibrator gemäß IEC 61043, GRAS 51AB, SN: 210878

  • Funktionsgenerator Rigol DG1022 für Rauschsignal (für Phasen-Kalibrierung)

  • Bezugsschallquelle gemäß ISO 6929, B&K 4204, Serien-Nr. 552298, Kalibrierung durch akkreditiertes Prüflabor am 19.12.2023

  • Absorberkammer der nach EN ISO/IEC 17025 akkreditierten sicherheitstechnischen Prüfstelle der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) nahe Wien

Umgebungsbedingungen:

  • 21.2 °C

  • 55,1 % relative Luftfeuchtigkeit

Was ist eine Schallintensitätssonde?

Eine Schallintensitätssonde ist ein Spezialinstrument für die Messung der Schallintensität, also der Schallleistung pro Flächeneinheit, die üblicherweise in Watt pro Quadratmeter (W/m²) angegeben wird. Die Schallintensität ist eine vektorielle Größe, die sowohl einen Betrag als auch eine Richtung hat. Mit der Sonde lassen sich die Richtungseigenschaften von Schallfeldern bestimmen, was für verschiedene Anwendungen wie die Identifizierung von Lärmquellen, die Bestimmung der Schallleistung oder die akustische Forschung von wesentlicher Bedeutung ist.

Abb. 2: Eine Schallintensitätssonde

Komponenten einer Schallintensitätssonde

Eine typische Schallintensitätssonde besteht aus einem Paar nahe beieinander – d. h. in der Regel nur einige Zentimeter voneinander entfernt – angeordneter Mikrofone, die den Schalldruck an zwei verschiedenen Punkten messen. Der Abstand zwischen den Mikrofonen ermöglicht die Berechnung des Druckgradienten, der für die Bestimmung der Schallschnellekomponente des Schallintensitätsvektors notwendig ist.

Ein starrer Abstandshalter sorgt für einen unveränderten Abstand zwischen den beiden Mikrofonen und gewährleistet so die genaue Messung des Schalldruckgradienten. Jedes Mikrofon verfügt über einen Vorverstärker, der das Signal für die weitere Verarbeitung aufbereitet und in ein Datenerfassungssystem einspeist, das die Signale von den Sondenmikrofonen erfasst. Das System verarbeitet die Signale, um anhand der Analyse der Phasen- und Amplitudendifferenzen zwischen den Mikrofonsignalen die Schallintensität zu berechnen.

Funktionsprinzipien und Anwendungen

Die Sonde ist in der Lage, die Schallintensität zu berechnen, indem sie die Differenz der Schalldruckpegel zwischen den beiden Messpunkten analysiert. Das grundlegende Prinzip beruht auf den folgenden Schritten:

  1. Druckgradientenmessung: Mithilfe der Mikrofone werden Messungen durchgeführt, bei denen der Schalldruckpegel an zwei Punkten erfasst wird, deren Abstand zueinander bekannt ist. Die Druckdifferenz zwischen den beiden Mikrofonen bestimmt den Druckgradienten.

  2. Berechnung der Schallschnelle: Der Druckgradient steht im Zusammenhang mit der Schnelle der Schallwelle. Diese Schallschnelle lässt sich anhand des Druckgradienten und des bekannten Abstands berechnen.

  3. Schallintensitätsberechnung: Die Schallintensität lässt sich als Produkt aus dem von einem der Mikrofone gemessenen Schalldruck und der anhand des Druckgradienten berechneten Schallschnelle berechnen. Das Ergebnis ist eine Vektorgröße, die sowohl die Größe als auch die Richtung des Schallenergieflusses angibt.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Schallpegelmessern, die Schalldruckpegel ohne Richtungsdaten messen, liefern Schallintensitäts-Messsonden sowohl den Betrag als auch die Richtung des Schallenergieflusses. Durch die Bereitstellung von Richtungsdaten helfen Schallintensitätssonden, Lärmquellen genau zu lokalisieren. Sie sind auch in der Lage, die Schallleistung direkt im Hintergrundgeräusch messen, was sie für laute Umgebungen nützlich macht.

Ingenieure setzen Schallintensitätssonden in verschiedenen Bereichen ein, z. B. zur Identifizierung von Lärmquellen, in der Akustikforschung, bei der Überwachung von Umgebungslärm, in der Bauakustik oder – wie in unserem Fall – zur Bestimmung der Schallleistung.

Vorbereitung der Schallintensitätssonde

Die Schallintensitätssonde besteht aus zwei paarweise kalibrierten Mikrofonen. Bei der Herstellung werden die Mikrofonpaare so ausgewählt, dass die Phasenfehler zwischen ihnen möglichst gering sind. Die höchste Genauigkeit erreichen Sie, wenn Sie vor Ort eine zusätzliche Phasenkalibrierung durchführen; dadurch werden kleine, durch die Verkabelung verursachte Phasenänderungen eliminiert. 

Der Funktionsgenerator – Sie können alternativ auch den SIRIUS-Funktionsgenerator mit Analogausgängen und Software verwenden – liefert ein kleines Rauschsignal an den mit den Mikrofonen verbundenen Phasen-Kalibrator GRAS 51AB. Der Vorgang ist auf dem Standard-Schallintensitätsbildschirm in der DewesoftX-Software bereits vorbereitet, so dass Sie nur noch auf eine Schaltfläche klicken und abwarten müssen.

Nachdem wir den Vorgang abgeschlossen hatten, stand das Messergebnis als Phasenkalibrierungstabelle in der Konfiguration des Schallintensitätskanals zur Verfügung.

Abb. 3: Der Aufbau für die Phasenkalibrierung und die resultierende Tabelle

Messaufbau

Wir wandelten den Freifeld-Messraum in einen Halbfreifeld-Messraum um, indem wir eine reflektierende Bodenplatte installierten, um die gleichen Bedingungen wie im Kalibrierungsbericht der Bezugsschallquelle zu gewährleisten. Messungen nach ISO 9614 unter Freifeldbedingungen werden in der Regel über einer reflektierenden Fläche wie dem Boden durchgeführt. Bei diesem Aufbau muss die Schallintensität über fünf Flächen gemessen werden, da die gesamte von der Schallquelle nach unten abgestrahlte Schallenergie in Richtung dieser fünf Flächen reflektiert wird. Auf jeder der fünf Flächen muss die zeitlich gemittelte Schallintensität gemessen werden, bevor die Flächengröße in die spätere Berechnung der Schallleistung einbezogen wird.

Nun wählten wir das Frequenzintervall für den empfohlenen Frequenzbereich von 100–12500 Hz für die Schallintensitätssonde. Da die Messung mit kontinuierlicher Abtastung viele Unbestimmtheiten mit sich bringt – z. B. wird jeder Prüfingenieur die Sonde mit unterschiedlicher Geschwindigkeit über den entsprechenden Bereich des Prüflings bewegen –, verwendeten wir die Messung an diskreten Punkten nach DIN EN ISO 9614-1.

Um den Prüfling herum definierten wir einen 1,9 x 1,9 x 1,5 m großen Quader. Da wir nicht von unten messen konnten, standen am Quader fünf Flächen zur Verfügung. Dann teilten wir jede Fläche in vier Segmente auf und zentrierten die Schallintensitätssonde für jede Messung im entsprechenden Sektor.

Da der vom Prüfling abgestrahlte Schall sehr homogen ist, änderten sich die Daten nach einer einige Sekunden dauernden Mittelwertbildung nicht mehr weiter; die Messzeiten für die Segmente verringerten sich auf jeweils 10 Sekunden.

Abb. 4: Schallintensitätseinstellungen in der Dewesoft-Kanalkonfiguration

Messung und Datenerfassung

Um eine genaue Positionierung der Schallintensitätssonde zu gewährleisten, platzierten wir als Hilfe links und rechts von jeder Fläche Stative, die mit einem Gummiband verbunden waren. Dann markierten wir am Gummiband die unteren Positionen mit gelbem Klebeband, während wir für die oberen Positionen die Ausleger der Stative um 90 Grad drehten. Beim Bewegen des gesamten Aufbaus zwischen den einzelnen Seiten des Würfels orientierten wir uns an Markierungen, die wir vorher auf den Boden geklebt hatten.

Abb. 5: Aufkleber und Gummibänder als Orientierungshilfen für die genaue Platzierung der Schallintensitätssonde
Abb. 6: Das Schallintensitäts-Plugin von Dewesoft hat einen vorkonfigurierten Bildschirm, der alle relevanten Daten anzeigt; oben kann man zwischen den Anzeigen für die verschiedenen Flächen – oben, links, hinten, rechts und vorne – umschalten.

Messergebnisse und Fazit

Nach der Messung exportierten wir die Gesamtschallleistung und die einzelnen Oktavbänder nach MS Excel.

Unten sehen Sie, auf der linken Seite der Tabelle, die Werte aus dem Schallleistungs-Prüfbericht, der von einem akkreditierten Labor auf Grundlage einer Halbkugelmessung nach DIN EN ISO 3745 erstellt wurde. In der Mitte sehen Sie die Ergebnisse der nach dem Schallintensitätsprinzip durchgeführten Dewesoft-Schallleistungsmessung und rechts die Differenzen.

Der Kalibrierbericht des akkreditierten Labors enthält Z-gewichtete Ergebnisse, die wir in eine A-Gewichtung umwandeln können, damit sie der Wahrnehmung durch das menschliche Ohr entsprechen. Diese Umwandlung kann einfach durch Hinzufügen der Referenzkurve für die A-Gewichtung für jedes Band erfolgen – für weitere Informationen siehe auch die Erläuterung der Dewesoft-PRO-Schulung. Bei 1 kHz stimmen die Z- und A-gewichteten Werte überein, da der Korrekturwert 0 ist.

Abb. 8: Schallleistungsprüfbericht eines akkreditierten Prüflabors

Bei der Gesamtschallleistung Lw(A) unten in der Tabelle ist eine Abweichung von etwa 1 dB zu erkennen. Diese lässt sich durch die Verwendung unterschiedlicher Frequenzbereiche erklären. Während der Bericht des akkreditierten Testlabors (Abb. 8) einen Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz abdeckt, reicht er bei der Dewesoft-Messung von 100 Hz bis 12,5 kHz. Um den gesamten Bereich abzudecken, müssen wir zwei Messungen mit Abstandshaltern unterschiedlicher Länge, z. B. 12 mm und 100 mm, kombinieren.

Da beide Messverfahren auf unterschiedlichen Prinzipien beruhen, schreibt DIN EN ISO 9614-1 für die Schallleistungsmessung auf Grundlage der Schallintensität eine Toleranz von +/-2 * s (Standardabweichung) für die einzelnen Bänder vor, also

  • +/-4 dB für die Frequenzbänder 50–160 Hz

  • +/-3 dB für die Frequenzbänder 200–630 Hz

  • +/-2 dB für die Frequenzbänder 800–5000 Hz

  • +/-4 dB für das Band 6300 Hz

Das Schallintensitäts-Plugin von Dewesoft erfüllt die Präzisionsanforderungen und kompensiert teilweise das Verhalten der Kunststoffabstandshalter zwischen den Mikrofonen. Zudem verbessert es die Genauigkeit vor allem in den höheren Bändern (etwa zwischen 6 kHz und 12,5 kHz) noch weiter, was uns von der Konkurrenz abhebt.