Gabriele Ribichini

Mittwoch, 1. März 2023 · 0 min read

by CNR-INM – National Research Council - Institute of Marine Engineering

Messung: Wasseraufprall bei hoher Geschwindigkeit

Ich dachte, es wäre ein Witz – zumindest für 5 Minuten. Alessandro und ich kennen uns schon sehr lange, und ich bin es mehr als gewohnt, seltsame Anfragen von diesen Kerlen zu erhalten. Er sprach wie immer schnell, und ich konnte nur ein paar Schlüsselwörter von dem aufschnappen, was er mir erzählte: „Flugzeug ... Aufprall bei 50 m/s ... Achterbahn-Schiene ... Katapult mit acht Bungee-Seilen ... Der Aufprall auf dem Wasser wird mithilfe einer Matrix miniaturisierter Drucksensoren und Dehnungsmessstreifen gemessen ...“.

Datenerfassungssystem für Wasseraufpralle

Der Wissenschaftler Dr. Alessandro Iafrati rief mich an, weil er ein Messdatenerfassungssystem für einen Wasser-Crashtest benötigte, und je länger er sprach, desto mehr wurde mir klar, dass er es ernst meinte, und desto mehr nahm meine Begeisterung zu. Alessandro arbeitet für den italienischen Nationalen Forschungsrat (Consiglio Nazionale delle Ricerche, CNR), an einem Institut, das numerische und experimentelle Meeresforschung und maritime Forschung betreibt. Diese Forschung ist auf Schiffe und Propelleranlagen, Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien und ähnliches fokussiert.

Flugzeug und Wasser ... Er bezog sich auf ein EU-finanziertes Projekt, FP7-SMAES (Smart Aircraft in Emergency Situations), das vom Flugunfall und der Notlandung des US-Airways-Flugs 1549 motiviert war, einem Zwischenfall, der auch als „Wunder auf dem Hudson“ bekannt geworden ist. Ziel des Projekts war ein genaueres Verständnis von der Flugdynamik und der Wechselwirkung zwischen Fluid und Struktur beim Aufprall auf das Wasser. Als er mich zu Beginn des Projekts anrief, waren die computergestützten Ansätze für die Flugzeugentwicklung und -zertifizierung nicht vollständig zuverlässig. Es mussten Tests durchgeführt werden, um einen umfassenden Datensatz zur Unterstützung der Entwicklung und Validierung einer neuen Generation von Berechnungsverfahren zu liefern.

In diesem Zusammenhang war am Hauptsitz des dem CNR-INM zugehörigen INSEAN Marine Technology Research Institute (vormals Istituto Nazionale per Studi ed Esperienze di Architettura Navale), eine neue Hochgeschwindigkeits-Notwasserungsanlage entwickelt und gebaut worden. Das 1927 gegründete Institut liegt in einem Vorort im Südwesten von Rom und beschäftigt mehr als 120 Forscher, Ingenieure und Techniker.

Die neue Anlage ermöglichte es dem CNR-INM, geführte Notwasserungsversuche mit Platten und Strukturbauteilen aus Aluminium und Verbundwerkstoffen durchzuführen. Die experimentellen Bedingungen wurden von einem Projektpartner (Airbus Defence and Space, Madrid) vorgeschlagen, um die offenkundigen Schranken von Versuchen mit skalierten Modellen zu überwinden, die es nicht ermöglichen, alle relevanten physikalischen Faktoren zu erfassen. In jüngerer Zeit wurde die Anlage im Rahmen des von der EU geförderten Projekts H2020-SARAH (Sicherheit und robuste Zertifizierung für die Notwasserung von Flugzeugen und Helikoptern) erneut verwendet.

Die als High-Speed Ditching Facility (HSDF) bezeichnete Testanlage sieht letztlich aus wie ein kopfüber an einer direkt ins Wasser führenden Schiene montierter Achterbahnwagen.

Die 64 Meter lange Führungsstruktur mit dem Schlitten über dem Becken der HSDF.

Hochgeschwindigkeits-Notwasserungsanlage

Auf der HSDF können Tests mit horizontalen Geschwindigkeiten zwischen 30 und 50 m/s durchgeführt werden. Die Anlage besteht aus einer Führungskonstruktion mit einer Gesamtlänge von rund 64 Metern, die an fünf Trägern über einem der Enden eines 470 m langen Schlepptanks aufgehängt ist. Die Führung kann geneigt werden, um unabhängig von der Horizontalkomponente eine vertikale Geschwindigkeitskomponente von 1,5 m/s zu erreichen.

Die zu prüfenden Testobjekte sind fest mit einem Kasten verbunden, der alle Messinstrumente enthält und von einem auf der Führung laufenden Schlitten mitgeschleppt wird. Die Gesamtmasse des Kasten mit dem Testobjekt und der kompletten Instrumentierung beträgt etwa 200 kg und die von Schlitten und Kasten etwa 900 kg.

Draufsicht der Hochgeschwindigkeits-Notwasserungsanlage

Der Schlitten wird mittels eines Katapults mit acht starken elastischen Seilen beschleunigt. Diese Seile sind an einem U-förmigen Bügel befestigt, der den Schlitten umfasst und auf die Endgeschwindigkeit beschleunigt. Es handelt sich um eine ziemlich massive Komponente, da der U-förmige Bügel etwa 300 kg und jedes elastische Seil etwa 130 kg wiegt. Um jegliche Beeinflussung des Beschleunigungssystems während des Tests zu vermeiden, wird kurz vor dem Aufprallpunkt das Bremssystem des U-förmigen Bügels aktiviert und der Schlitten für den ungehinderten Aufprall auf das Wasser freigegeben. In dem Moment, in dem die Platte mit dem Wasser in Berührung kommt, bildet sich ein Strahl, der sich mit der Vorwärtsbewegung der Platte ausbreitet.

Für die Zwecke der SMAES- und SARAH-Projektaktivitäten ist das Experiment beendet, sobald die Strahlwurzeln – und die entsprechenden Druckspitzen – die vordere Kante der Platte erreichen. Ab diesem Moment kann sich die Strömung frei nach oben bewegen, und das sich weiter vorwärts bewegende Modell wird vom intensiv aufspritzenden Wasser getroffen – eine Szene, das dem Kind in uns höchste Freude bereitet. Dieser Effekt erzeugt zusammen mit der Strömung, die durch die Verdrängung des Wassers vor dem Modell entsteht, die hohe horizontale Belastung, die erforderlich ist, um die Geschwindigkeit des Modells vor dem Ende der Führung zu reduzieren. Die verbleibende Restenergie wird im letzten Abschnitt der Führung von einem Satz Reifen absorbiert.

Das Katapult wird mithilfe einer Winde geladen, die einen Hilfsschlitten zieht. Dieser wiederum hält den Hauptschlitten mittels eines per Hydraulikkolben geschlossenen Greifers. Der Hilfsschlitten ist mit zwei Klinken ausgestattet, die dazu dienen, das System nach der Auslösung auf den Zähnen zu halten, die sich in regelmäßigen Abständen entlang der Führung befinden. Der Freigabepunkt wird so gewählt, dass das Erreichen der gewünschten Aufprallgeschwindigkeit und der Ausgleich des Kraftverlustes der elastischen Seile gewährleistet sind. Aus Sicherheitsgründen wird die Anlage von außerhalb des Gebäudes fernbedient, und zwei Webkameras überwachen die Klinken und den Freigabepunkt. 

Onboard-Mess- und Datenerfassungssystem

Für die Tests ist der Kasten mit einem Onboard-Datenerfassungssystem ausgestattet, das von einem Desktop-Computer aus fernbedient wird. Das Messsystem besteht aus einem robusten industrietauglichen SBOX-Datenlogger und PC mit 100-GB-SSD-Laufwerk, 4 SIRIUS-Datenerfassungssystemen (8 Analogkanäle, 8 Digitalkanäle, 1 CAN) und einem DEWE-43A-Datenerfassungssystem (8 Analogkanäle, 8 Digitalkanäle, 2 CAN-Ports).

Die auf das Testmodell montierten Dewesoft-Datenerfassungssysteme

Als Messsensoren werden eingesetzt:

  • Drucksensoren (bis zu 30 Sonden, Kulite XTL 123B, Skalenumfang 300 psi, Abtastrate 200 kS/s)

  • Schwingbeschleunigungssensoren (Kistler M101 und Kistler M301A, Bereich 1000 g, Abtastrate 20 kS/s) und

  • Dehnungsmessstreifen (einachsige oder biaxiale Rosetten je nach Testobjekt, Abtastrate 20 kS/s).

Die auf die Platte wirkenden Gesamtkräfte werden mit 4 Druckkraftsensoren (Kistler 9343A) für die vertikalen Komponenten und 2 Sensoren (Kistler 9363A) für die horizontalen Komponenten gemessen

Sowohl Alessandro als auch ich wussten, dass die SIRIUS DualCoreADC©-Technologie hier aufgrund ihres herausragenden SNR von 160 dB unerlässlich war, wenn das Beste aus dem Signal der Dehnungsmessstreifen und der miniaturisierten Druckaufnehmer herausgeholt werden sollte. Die 40 Analogkanäle mussten bei einer Abtastrate von 200 kS/s perfekt synchronisiert werden, um beim Aufprall ein glattes Signal zu erhalten und die Druckwellenentwicklung auf der Aufpralloberfläche zusammen mit den Materialspannungen und der vertikalen Gesamtbelastung visualisieren zu können.

SIRIUS DualCoreADC®-Signalkonditionierungstechnologie mit einem Dynamikbereich von 160 dB

Zu Beginn dieses Projekts war mir nicht sicher, ob unsere Datenerfassungssysteme die mechanische Erschütterung während der anfänglichen Beschleunigung und der abrupten Abbremsung sowie beim Aufprall auf die Reifen überstehen würden. Darüber hinaus hätte einströmendes Wasser im Falle einer Beschädigung des wasserdichten Gehäuses beim Aufprall schwere Schäden verursachen können. 

Alle Daten werden im leistungsstarken SBOX-Datenlogger gespeichert und am Ende des Tests per Standard-Wireless-LAN an einen Remote-Computer übertragen. Vor dem Spannen des Katapults wird die Datenerfassung gestartet, und die Funktionsfähigkeit der Kanäle, das Batterieladegerät und der verfügbare Festplattenspeicherplatz werden überprüft. Obwohl die WLAN-Verbindung während des Tests durchgehend aktiv ist, wird die Remote-Desktop-Verbindung vorübergehend unterbrochen, um unbeabsichtigte Steuerimpulse zu verhindern, die die Datenerfassung stoppen könnten. Der Remote-Desktop wird nach dem Aufprall wieder aktiviert, um die Erfassung zu stoppen und die Daten herunterzuladen.

Visualisierung der Testergebnisse, einschließlich Videoüberwachungsbildern

Schließlich wurde das Modell mit den Messinstrumenten auf eine horizontale Geschwindigkeit von 47 m/s beschleunigt. Der Aufprall war ziemlich dramatisch: Selbst außerhalb der Testanlage war ein ziemlich beängstigendes Geräusch hörbar, und in der Tat bestätigen die aufgezeichneten Filme, wie beeindruckend die ganze Testphase und vor allem die Wasserverdrängung in der Endphase des Tests waren.

Die Leitung der gesamten Entwicklungs- und Testphase in dieser einzigartigen Anlage war sehr schwierig, wir haben viele Nächte durchgearbeitet“, schloss Alessandro, als die Tests beendet waren 

Es stellte sich heraus, dass selbst er an der Durchführbarkeit des Projekts gezweifelt hatte:

Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass die Dewesoft-Geräte in der Lage wären, bei einer derartigen Erschütterung so genau zu messen; aber letztlich haben wir mehrere Tests durchgeführt und Datenmengen im Gigabyte-Bereich gespeichert und analysiert, und es ist kein einziger Datensatz verloren gegangen. Die erfassten Daten sind für unsere Partner sehr nützlich gewesen, und unsere einzigartige Anlage ist jetzt nicht nur ausgesprochen genau und zuverlässig, sondern auch höchst begehrt.

Bei einigen Tests wurde das dicke Aluminiumblech kaum verformt. Dr. Alessandro Iafrati war glücklich – und ich warte nun darauf, mich von seinem nächsten unglaublichen, spritzigen Wasserprojekt begeistern zu lassen.

Der Wissenschaftler Dr. Alessandro Iafrati mit einem beim Wasseraufprall verformten Aluminiumblech