Dienstag, 5. November 2024 · 0 min read
Dynamische Charakterisierung und Strukturüberwachung eines Viadukts per Betriebsmodalanalyse (OMA)
Die Serra-Cazzola-Talbrücke ist das wichtigste Bauwerk, das im Rahmen der Erneuerung der Staatsstraße SS640 in der italienischen Provinz Agrigento errichtet wurde. Essebi installierte ein Strukturüberwachungssystem und überprüfte dessen elektrische Funktionalität. Die erfassten Daten entsprachen den technischen Vorgaben. Die dynamische Charakterisierung des Viadukts wurde durch mehrere Modalanalysen auf Grundlage der von 85 triaxialen Beschleunigungssensoren des Typs IOLITE 3XMEMS von Dewesoft erfassten Daten ermöglicht. Diese Sensoren stellen insgesamt 255 synchrone Kanäle bereit.
Einleitung
Das Akronym „SS“ steht für das italienische Staatsstraßennetz. Dieses Netz von Landstraßen und mautfreien Autobahnen von nationalem Interesse wird von der auf Straßeninfrastruktur spezialisierten italienischen Aktiengesellschaft Anas S.p.A. verwaltet und unterhalten.
Bei der Serra-Cazzola-Talbrücke auf der Staatsstraße SS640 handelt es sich um eine durchgehende, mehrfeldrige Struktur mit doppelter Fahrbahnplatte. Das Bauwerk hat eine Gesamtlänge von 980 m, eine zentrale Spannweite von 120 m, eine Überbaubreite von 26,50 m und eine maximale Höhe von 70 m. Die Stahl-Beton-Verbunddecke besteht aus zwei Stahlträgern mit auskragenden Querträgern, die die Betonplatte tragen.
Essebi ist seit 1992 im Bereich der bautechnischen Dienstleistungen tätig und verfügt über spezifisches Fachwissen in der Implementierung statischer oder dynamischer Überwachungssysteme für Ingenieurbauwerke und architektonische Konstruktionen. Darüber hinaus führt das Unternehmen allgemeine Diagnosen an Stahl- und Spannbetonkonstruktionen, Stahl, Mauerwerk und Holz, vorwiegend mittels zerstörungsfreier Prüfverfahren und entsprechender Instrumentierung durch.
Das Serra-Cazzola-Projekt – die Geschichte
Alles begann im Frühjahr 2021 mit der ersten Kontaktaufnahme von Essebi mit zwei sizilianischen Bauunternehmen, SCS und IGC, die sich rechtlich zu einem temporären Unternehmensverband (ATI) zusammengeschlossen hatten. Dieser Verband hatte mit Anas S.p.A. einen bedeutenden Rahmenvertrag über die Einrichtung einer Reihe von Überwachungsanlagen – hauptsächlich dynamischen Systemen – auf den beiden italienischen Inseln Sizilien und Sardinien abgeschlossen.
In diesem Kontext unterzeichnete Essebi einen Vertrag über die Lieferung und Installation dynamischer Überwachungsanlagen in Serra Cazzola in der Provinz Agrigento und nahe Cagliari. Unser Fokus lag auf der ersten dieser Anlagen, für die wir eine alternative Lösung zum etablierten Konzept vorschlugen.
Ein Wandel im philosophischen Ansatz zur Bauwerksüberwachung hatte bereits eingesetzt. Die sogenannte granulare Lösung, bei der zahlreiche Beschleunigungssensormodule mit integrierter Elektronik kaskadiert entlang der Anlage installiert werden, erhielt zunehmend Vorzug gegenüber der klassischen Lösung mit mehreren analogen Sensoren, die an mehrkanalige Erfassungssysteme angeschlossen sind.
Essebi leistete in enger Zusammenarbeit mit der zentralen technischen Abteilung von Anas einen wichtigen Beitrag zur Analyse der Funktionalität und Zuverlässigkeit ähnlicher, bereits implementierter Lösungen.
Wir stellten das neue und fast unbekannte E-gMeter vor, den Vorläufer des inzwischen weit verbreiteten IOLITE-3xMEMS, und präsentierten Beispiele aus der Praxis wie die Navetta-Brücke in Parma, verschiedene Autobahnüberführungen in Norditalien, einige Postgebäude in Cascia und Rieti sowie – vor allem, um die Gesamtphilosophie des Systems zu veranschaulichen – die Foro-Autobahnbrücke in den Abruzzen.
Kurzum, Anas war nun mit an Bord, und wir unterzeichneten die Verträge mit der ATI. Jetzt mussten wir nur noch mit dem Bau der ersten Anlage beginnen. Doch zunächst herrschte Totenstille in den Beziehungen zur ATI. Anfang des folgenden Jahres erfuhren wir, dass die Präfektur von Palermo ein Anti-Mafia-Verfahren gegen eines der beiden beteiligten Unternehmen eingeleitet hatte.
Natürlich widerrief Anas den Auftrag, was dazu führte, dass Essebi zunächst mit leeren Händen dastand. Die Schwierigkeiten zogen sich durch das ganze Jahr 2022, in dem zahlreiche erfolglose Vorschläge gemacht wurden, um den gesperrten Unternehmensverband durch andere Unternehmen oder Konsortien zu ersetzen.
Ende 2022 bekundete das SQM Consorzio Stabile sein Interesse, anstelle der gesperrten ATI in den Rahmenvertrag mit Anas über die Überwachung von Brücken und Viadukten in Sizilien und Sardinien einzutreten. Die Zusammenarbeit mit der ICC (Ingegneria Colombrita Costruzioni), der Ingenieurabteilung des Konsortiums, wurde umgehend aufgenommen.
Die Parteien unterzeichneten den neuen Vertrag im Juni 2023, und nach einigen weiteren Verzögerungen begannen wir im Oktober mit der Installation, die im Dezember abgeschlossen wurde. Bis Ende 2023 hatten wir die elektrischen Funktionstests durchgeführt, einige Datensätze gespeichert und verschiedene Modalanalysen mit ausgezeichneten Ergebnissen durchgeführt.
Probleme im Zusammenhang mit dem Umspannwerk haben die Anlage für mehrere Monate zum Stillstand gebracht. Sobald die Stromversorgung wiederhergestellt sein wird, kann der letzte Teil des Programms in Angriff genommen werden. Dieser Teil sieht die Nutzbarmachung der Edge-Computing-Daten gemäß den im ursprünglichen Rahmenvertrag vorgesehenen Interoperabilitätsstandards vor.
Der Standort des Viadukts
Das Serra-Cazzola-Viadukt, Italiens neueste Hochbrücke, gelegen in der Nähe von Canicattì auf Sizilien, wurde 2014 eingeweiht und umgeht einen älteren Abschnitt der Staatsstraße SS640, der ins Tal hinabführt. Die Brücke ist eines der wichtigsten Bauwerke auf der Strecke zwischen Agrigento und Caltanissetta.
Die in Porto Empedocle beginnende SS640 führt an den berühmten archäologischen Stätten entlang, die als „Tal der Tempel“ bekannt sind und 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Die Straße wurde in „Straße der Schriftsteller“ umbenannt, um die sizilianischen Schriftsteller wie Luigi Pirandello, Leonardo Sciascia, Tomasi di Lampedusa und Andrea Camilleri zu ehren, die in den Orten entlang ihres Verlaufs gelebt und diese in ihren Werken verewigt haben.
Das Viadukt liegt in einer bedeutenden, leicht zu durchquerenden orografischen Senke und ist aufgrund eines beträchtlichen Venturi-Effekts erheblichen natürlichen Winden ausgesetzt. Aufgrund seiner Länge von fast 1000 m und seiner maximalen Höhe von 70 m über dem Talboden im mittleren Teil erforderte das Bauwerk besondere Sorgfalt sowohl bei der konstruktiven Lösung als auch bei den eingesetzten Bautechniken.
Vor allem die beträchtliche Höhe der Pfeiler verlangte nach einer Lösung mit großen Spannweiten und einem einzigen Deck für beide Fahrbahnen, um der Struktur einen einheitlichen und leichten Charakter zu verleihen.
Um eine bessere Transparenz und Integration des Bauwerks in die Umgebung zu erreichen, nehmen die Spannweiten (zwischen 55 m und 120 m) der Brückenfelder mit der Höhe über der Talsohle zu. Die Größen der einzelnen Spannweiten sind dabei durch die angewandte Konstruktionstechnik bedingt. Die Ingenieure befassten sich zudem eingehend mit dem Design der Pfeilerköpfe, um die Beeinträchtigung der natürlichen Umgebung, in der das Viadukt platziert ist, zu minimieren.
Die Strukturen des Viadukts
Die Grundstruktur des Viadukts besteht aus einem durchgehenden Plattenbalken, der an beiden Enden auf Widerlagern ruht und an den elf Pfeilern als hyperstatisches System eingespannt ist. Das Viadukt hat zwölf Felder mit Spannweiten von 55 m, 70 m, 3 x 90 m, 120 m, 3 x 90 m, 2 x 70 m und 55 m, was eine Gesamtlänge von 980 m ergibt.
Die Gesamtbreite des Überbaus beträgt 26,50 m und setzt sich zusammen aus zwei 10,50 m breiten Fahrbahnen, die jeweils in zwei Fahrstreifen von je 3,75 m und zwei Seitenstreifen von 1,75 bzw. 1,25 m unterteilt sind, sowie zwei seitlichen Gehwegen von je 1,50 m und einer 2,50 m breiten Mittelinsel.
Der Überbau hat einen Stahl-Beton-Verbundquerschnitt und umfasst zwei im Abstand von 12,50 m platzierte Doppel-T-Metallträger sowie auskragende Doppel-T-Querträger, die in Abständen von ca. 4 m angeordnet sind. Darauf ruht eine 25 cm dicke Stahlbetonplatte. Die Metallkonstruktion ist vollständig geschweißt und lackiert.
Abb. 3 zeigt die Querschnitte der wesentlichen Strukturelemente und veranschaulicht, wie sich der Querschnitt des Überbaus entlang der Längsachse verändert, um parabolische Segmente mit variabler Belastbarkeit zu bilden, wobei das maximale Moment an den Auflagern erreicht wird.
Die beiden Längsträger haben in den äußeren Feldern mit 55 und 70 m Spannweite eine konstante Höhe von 2,90 m, während diese in den 90-m-Feldern und im zentralen 120-m-Feld gemäß einer parabolischen Funktion variiert. Im zentralen Feld variiert sie zwischen 3,00 m (L/40) in der Mitte und 5,50 m (L/22) an den Auflagern.
Die Höhe der Querträger variiert zwischen 1,60 m und 1,79 m im Mittelteil und zwischen 0,40 m und 1,60 m an den Auskragungen. Um die Stabilität der Struktur zu gewährleisten, sind die Querträger in den Hauptfeldern im Bereich von ca. 25 m um die Auflager um etwa 60 cm gegenüber dem aktuellen Querschnitt erhöht.
An den Auflagern leiten die Querträger und Pfeiler die horizontalen Einwirkungen des Windes und möglicher seismischer Ereignisse in die Auflager und damit in die Unterbauten ab. Die Pfeilerstützen bestehen aus 3+3 Platten, die mit einem Achsabstand von jeweils 0,40 m symmetrisch zum Kern angeordnet sind, um eine korrekte Übertragung der Lagerreaktionen auf den Überbau – auch bei thermischen Längsauslenkungen – zu gewährleisten. Die Träger sind an den Querträgern durch T-Streben versteift, die an den Stegen und Flanschen der Träger verschweißt sind.
Die Stahlbetonplatte ruht auf Auflagerplatten, die in optimierten Gießsequenzen hergestellt werden. Die Feldsegmente wurden vor dem Überspannen der Auflager gefertigt, um Rissbildungen in der Platte während der Bauphasen zu vermeiden. Die Verbindung der Platte mit der Stahlkonstruktion erfolgt durch Nelson-Schweißbolzen.
Die Höhe der Pfeiler variiert zwischen 13 und 58 m. Sie bestehen aus einem Schaft mit hohlem Querschnitt, der sich in Querrichtung linear verändert. Die Ingenieure legten besonderes Augenmerk auf die Gestaltung der Pfeilerform, und insbesondere der Köpfe, da für die Art des Überbaus beträchtliche Abmessungen erforderlich waren.
Die Fundamente der Pfeiler sind als Plattengründungen ausgeführt, wobei jeweils 16, 20 oder 25 Pfähle mit Tiefen von 30, 35 oder 40 m in den Boden eingebracht werden.
Die Widerlager haben einen C-förmigen Querschnitt und sind mit seismischen Lagerungen ausgestattet. Am Widerlager S1, das die Festlager trägt, haben die Ingenieure vier doppelt wirkende elastische Rückhaltevorrichtungen mit einer Rückhaltekraft von 4000 kN installiert. Am Widerlager S2, das die Gleitlager trägt, wurden vier doppelt wirkende elastische Vorrichtungen mit einer Rückhaltekraft von 4000 kN installiert, die mit Schocktransmittern kombiniert sind. Diese Vorrichtungen erlauben „langsame“ Verformungen des Überbaus, z. B. durch Schwund oder thermische Auslenkungen, verhindern jedoch „schnelle“ Bewegungen, wie sie durch Erdbeben verursacht werden.
Die Haltevorrichtungen sind mit der Wand über Stahlstangen verbunden, die an zwei ihr zugewandten Platten befestigt sind. Die Fundamente der Widerlager sind als Plattengründungen ausgeführt, wobei jeweils 40 Pfähle mit Tiefen von 20 m (bei S1) bzw. 25 m (bei S2) in den Boden eingebracht werden.
Die Notwendigkeit der Überwachung
Ein erheblicher Teil der italienischen Infrastruktur ist veraltet und stammt aus der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt mehrere Gründe, warum die Überwachung heute unerlässlich ist, nämlich
die unzureichende Umsetzung von Instandhaltungsprogrammen,
die ausgeprägte seismische Aktivität in Italien und
mehrere Fälle von teils katastrophalem Versagen, die in jüngster Zeit verschiedene Viadukte betroffen haben.
All dies hat viele Infrastrukturbetreiber dazu veranlasst, verstärkt auf präventive Inspektionen, Kontrollen und Überwachung zu setzen.
Als nationaler Verantwortungsträger für Staatsstraßen handelte Anas frühzeitig und schloss Rahmenverträge mit zahlreichen Bauunternehmen ab, noch bevor das weitreichende „Mille Ponti“-Programm („Tausend Brücken“) ins Leben gerufen wurde. Die Rahmenverträge sollten neben Instandhaltungsmaßnahmen auch die Einrichtung von Überwachungssystemen für Brücken umfassen, um deren dynamisches Verhalten, Zustand und Erhaltungsgrad zu bewerten.
Eins dieser Projekte ist der Rahmenvertrag über die Lieferung und Installation von Instrumenten zur strukturellen Überwachung bedeutender Ingenieurbauwerke in den Regionen Sizilien und Sardinien, zu denen auch das Serra-Cazzola-Viadukt auf der SS640 von Agrigento nach Caltanissetta gehört.
Die Überwachungsanlage
Im Auftrag von Anas und unter der Aufsicht von Essebi begann die ICC Anfang Oktober 2023 mit der Installation der Überwachungsanlage. Die Arbeiten dauerten bis Anfang Dezember.
Auf Höhe jedes zweiten Brückenauflagers installierten wir zwischen der Leitplanke und dem äußeren Schutzgeländer auf der Agrigento zugewandten Seite Schaltkästen, die den sechs PCs entsprechen, die zur Verwaltung der sechs Zweige des Systems verwendet werden.
Die Beschleunigungs- und Temperatursensoren positionierten wir in allen Feldern mithilfe eines Brückenuntersichtsgeräts an der Unterseite der Brückenkonstruktion. Ein Brückenuntersichtsgerät ist eine spezielle, für Eingriffe unter Brücken geeignete Hubarbeitsbühne, bei der der Auslegerarm von oben um die Seite der Brücke unter die Brücke geschwenkt werden kann.
Während des Einsatzes des Brückenuntersichtsgeräts musste der Verkehr auf dem darüberliegenden Brückenabschnitt teilweise unterbrochen werden und wurde solange abwechselnd auf jeweils nur eine der Fahrbahnen – zunächst die rechte, dann die linke – umgeleitet.
Wir installierten 85 der insgesamt 89 Beschleunigungssensormodule und bewahrten vier als Ersatz für einen möglichen Austausch während des Betriebs auf. Bei 71 der installierten Sensoren handelt es sich um IOLITE 3xMEMS-Module mit geringem Schutz gegen äußere Einflüsse, die den Einbau in metallene Schutzgehäuse erfordern, bei zehn weiteren um IOLITE-3xMEMS-Module in wasserdichter Ausführung und bei den restlichen vier um alte E-gMeter, die ebenfalls Schutzgehäuse benötigen. Die vier Reservemodule sind wasserdichte Geräte der neuesten Generation.
Alle Module – ob mit einem Schutzgehäuse ausgestattet oder nicht – wurden mit Gewindebolzen auf metallene Wartungsplatten geschraubt, die zuvor als Schablonen positioniert und mit einer speziellen Nagelpistole an den Metallelementen befestigt worden waren. Bei den Modulen, die flach auf den Pfeilerköpfen montiert wurden, fixierten wir die Metallplatte mit chemischen Ankern am Beton.
Alle Beschleunigungssensormodule für den Überbau – je sechs für die zwölf Felder des Viadukts – wurden symmetrisch zur Längsachse jeweils auf Höhe der Mitte und der Viertel der Spannweite an den beiden Trägern installiert, und zwar außen unter der auskragenden Konsole.
Die Module für die einzelnen Pfeiler wurden flach auf den oberen Flächen der Pfeilerköpfe installiert. Ein Pfeilerkopf ist ein strukturelles Bauelement, das den oberen Abschluss eines Pfeilers bildet und oft die Form einer umgekehrten, abgestuften Pyramide hat, deren verbreiterte Auflagefläche den Längsträger des Brückenüberbaus trägt.
Zusätzlich brachten wir zwölf Temperatursensoren (Mikrochips von Analog Devices) entlang der verschiedenen Brückenfelder an, die ihre Daten paarweise an die sechs MonoDAQ-U-X übermitteln, die jeweils in einem der sechs miteinander verbundenen Schaltkästen der Anlage installiert sind. Alle Ethernet- und PoE-Stromkabel im gesamten System wurden, wo möglich, in besonders widerstandsfähigen Wellrohren verlegt, um sie vor Nagetieren zu schützen
Der kritische Punkt des Systems bleibt die Gefährdung durch Blitzschlag. Der Standort, die Beschaffenheit und die Art des Bauwerks sind diesbezüglich zweifellos nachteilige Faktoren. Die einzige mögliche Abhilfemaßnahme bestand darin, die sechs Schaltkästen mit Überspannungsableitern und -relais auszustatten.
Die Messkette
Für jeden der sechs lokalen Zweige des Überwachungssystems wurden durchschnittlich 14 Beschleunigungssensormodule vorgesehen – nur einer hat 15. Die Module sind in einer In-Out-Konfiguration über ein LAN-Kabel in Kaskade mit einem Ethernet-Netzwerk verbunden, das vom Referenz-PC ausgeht. Zusätzlich zum Power-over-Ethernet-Injektor (PoE) im Inneren des Schaltkastens befindet sich ein weiterer direkt hinter dem siebten Modul.
Zur Beschleunigungsmessung verwenden wir IOLITE-3xMEMS-Beschleunigungssensormodule in den Konfigurationen, die sich in den letzten drei Jahren bewährt haben (siehe oben).
Das IOLITE 3xMEMS ist ein Beschleunigungssensormodul mit einem effektiven Drei-Achsen-Wandler. Das spektrale Rauschen überschreitet selbst im ungünstigsten Fall – bezogen auf die z-Achse relativ zu ihrer Position – nicht 25 µg/√Hz.
Wir bezeichnen IOLITE 3xMEMS als Modul, da es die gesamte Elektronik zur Verstärkung, Digitalisierung und Synchronisierung des Signals enthält und über ein empfindliches Messelement verfügt. Kurz gesagt: Es ist ein angepasstes Instrument, das in der Lage ist, ein digitalisiertes und synchronisiertes Signal in einem Ethernet-basierten LAN-Netzwerk zu übertragen.
Für jede der Unteranlagen sind zwei Temperaturmessumformer vorgesehen. Diese umfassen einen digitalen integrierten Schaltkreis von Analog Devices (AD592CNZ) mit einer Genauigkeit von 0,5 °C, der für die Standardisierung der Ergebnisse dynamischer Charakterisierungen, die zu verschiedenen Jahreszeiten durchgeführt werden, von grundlegender Bedeutung ist. Die Messumformer sind an bestimmten Punkten installiert und über Analogkabel mit den MonoDAQ-U-X-Datenerfassungssystemen in den sechs Schaltkästen verbunden.
Liste der eingesetzten Hard- und Software
85 Dewesoft IOLITE 3xMEMS - triaxiale MEMS-Beschleunigungssensoren
6 MonoDAQ U-X modules - multifunktionale USB-Datenerfassungsgeräte
12 Temperaturmessumformer
6 Personalcomputer
Simcenter Testlab – Softwaremodul für die Modalanalyse
Die Systemarchitektur
Das Überwachungssystem umfasst 85 triaxiale Beschleunigungssensoren, die wie folgt verteilt sind:
2 Beschleunigungssensoren am Boden zur Messung der Bodenbewegung und der Spitzenbodenbeschleunigung (PGA),
11 Sensoren zentriert an der Spitze jedes Pfeilers und
72 (12 x 6) Beschleunigungssensoren an den Stegen der beiden Stahlträger der Verbunddecke; hierbei ist zu beachten, dass sich in jedem Feld sechs Sensoren befinden, und zwar jeweils auf Höhe der Mitte und der Viertel der Spannweite.
Abb. 11 zeigt das in Richtung Agrigento ausgerichtete Subsystem Nr. 2 und die zugehörige Schalttafel.
Die Abstände zwischen den Beschleunigungssensormodulen betragen stets unter 40 m. Die Module benötigen keine zusätzliche Hardware zur Verstärkung des Signals.
Die sechs PCs, die die sechs Subsysteme steuern, sind über ein Netzwerkkabel verbunden, um ihre Synchronität zu gewährleisten. PC Nr. 3 fungiert als Master (UCL in der Anas-Terminologie) und ist deshalb mit einem Prozessor des Typs Intel Core i5 ausgestattet. Die übrigen fünf PCs, die als Slaves fungieren, haben einen weniger leistungsfähigen Prozessor des Typs Intel Celeron J900.
Derzeit verwalten wir das System über Router mit SIM-Karten, die den Remote-Zugriff auf jeden PC, zum Beispiel über AnyDesk oder TeamViewer, ermöglichen. Der Master-PC (UCL) ist auch mit einem weiteren PC (Edge) verbunden und erfüllt aufgrund der zahlreichen implementierten Prozesse wesentlich mehr Funktionen. Er wird später als einzige Schnittstelle zum Manager (Anas) und als Fernterminal fungieren.
Synchronisation
Eine effiziente Synchronisation der Beschleunigungsmessungen ist zwingend erforderlich, wenn das Überwachungssystem Modalanalysen durchführen soll – die resultierenden Modenformen müssen anhand präziser Definitionen bestimmt werden.
Für die einzelnen Zweige garantiert die Verwendung des für die IOLITE-Architektur typischen EtherCAT-Protokolls mit in Reihe geschalteten MEMS-Beschleunigungssensoren eine Synchronität im Bereich weniger Mikrosekunden. Diese sogenannte „lokale“ Synchronität reicht jedoch nicht aus, da das Viadukt aus einem durchgehenden Plattenbalken über seine gesamte Länge besteht, der nur an den Enden zwei Verbindungsstellen aufweist – die Bewertung seines Gesamtverhaltens ist deshalb von grundlegender Bedeutung.
Die Synchronität zwischen den sechs Zweigen, die die sechs Subsysteme bilden, darf nicht außer Acht gelassen werden und muss so gut wie möglich mit den relevanten typischen Frequenzen vereinbar sein. Für diese „globale“ Synchronität verwendeten wir das Network Time Protocol (NTP), das ab Windows Server 16 und Windows 10 eine deutliche Verbesserung bietet.
Unter angemessenen Betriebsbedingungen erreicht das System Genauigkeiten in der Größenordnung von einer Millisekunde oder besser, was für die typischen Frequenzen der untersuchten Struktur mehr als ausreichend ist. Wie sich herausgestellt hat, sind diese für Werte über 3 Hz wenig relevant.
Um auf Nummer sicher zu gehen, gehen wir von einer Synchronitätsgenauigkeit von 5 ms aus. Es wird angenommen, dass der maximale Fehler des Phasenwinkels für die maximalen Frequenzen in Zusammenhang mit dem Phänomen 5,4° nicht überschreitet, einen Wert, der uns mehr als akzeptabel erscheint.
Zur Vervollständigung des oben Gesagten platzieren wir für die Erfassungen in den sechs lokalen Netzwerken zwischen dem ersten PoE und dem ersten Beschleunigungssensormodul ein EtherCAT-Verteilermodul für die GPS-Synchronisation. Auf diese Weise vermeiden wir die NTP-Synchronisation auf globaler Systemebene und verwenden stattdessen einen genaueren und strengeren Ansatz. Die bisherigen Ergebnisse, die sicherlich mit operationellen Mängeln behaftet sind, könnten genauer sein.
Experimentelle Modalanalyse
Zunächst wurde im Rahmen einer umfangreichen Inbetriebnahmephase die elektrische Funktionstüchtigkeit der Anlage mithilfe aller in DewesoftX verfügbaren Tools überprüft. Der Fokus lag dabei auf den korrekten Verbindungen aller Messwandler in der Messkette und auf der Funktionalität der Software. Die Überprüfung erfolgte ausschließlich durch die Analyse der verschiedenen durch den Fahrzeugverkehr erzeugten Wellenpakete und die Untersuchung der Einheitlichkeit der resultierenden Frequenzen.
Auch wenn uns keine theoretischen Daten für einen direkten Vergleich zur Verfügung standen – in Anbetracht dessen, dass das Bauwerk in diesem Jahrtausend errichtet wurde, es ist für uns übrigens nicht nachvollziehbar, dass der Planer des Viadukts über keine theoretische dynamische Auswertung verfügt –, entschieden wir uns für eine experimentelle dynamische Analyse zur Überprüfung der umfassenden Funktionalität des implementierten Überwachungssystems. Wegen des fehlenden theoretischen Modells zum Vergleich sind die numerischen Frequenzwerte nicht so aussagekräftig, wie sie sein könnten. Dies gilt jedoch nicht für die Modenformen, deren Aussehen und Glätte die Qualität der Struktur widerspiegeln.
Aufgrund der Schwierigkeiten, das Viadukt mit externen harmonischen und impulsiven Kräften anzuregen, definierten wir eine Referenz für die Betriebsmodalanalyse. Die Verwendung solcher ausschließlich auf Ausgangsdaten basierenden Referenzen ist bei großen Ingenieurbauwerken ohne verfügbare Eingangsdaten üblich, wobei Kreuzleistungsspektren die klassischen Übertragungsfunktionen ersetzen.
Namentlich wurde der PolyMAX-Extraktionsalgorithmus verwendet, der im Betriebsmodalanalysemodul der Siemens-Software Simcenter TestLab enthalten ist. Dieser Algorithmus arbeitet im Frequenzbereich als polyreferenzierte Version der im Zeitbereich entwickelten Least-Squares Complex Frequency-Methode (LSCF).
Mode | Frequenz [Hz] | Dämpfung [%] | MPC [%] | MPD [°] | Streuen |
---|---|---|---|---|---|
1 | 0,63 | 1,23 | 99,85 | 2,28 | gering |
2 | 0,77 | 2,61 | 99,80 | 2,68 | gering |
3 | 0,86 | 2,43 | 99,01 | 6,75 | gering |
4 | 0,89 | 1,44 | 96,46 | 13,54 | gering |
5 | 1,15 | 1,37 | 97,83 | 9,43 | gering |
6 | 1,56 | 0,9 | 98,85 | 5,36 | gering |
7 | 2,86 | 0,65 | 99,83 | 2,44 | gering |
Entsprechend seiner besonderen Schlankheit und Stromlinienform zeigt das Viadukt ein ausgeprägt weiches Verhalten und schwingt bei niedrigen Frequenzen, von denen die signifikantesten alle unter 3 Hz liegen. Wie es bei einer Metallstruktur zu erwarten ist, sind die Dämpfungsprozentsätze bei allen Moden niedrig und liegen bei etwa 1 %. Ausnahmen bilden die erste Biegemode in der vertikalen Ebene (Mode 2 in der Tabelle) und die erste Torsionsmode (Mode 3 in der Tabelle), für die der Dämpfungswert jeweils etwa 2,5 % beträgt.
Tabelle 1 zeigt auch die modale Phasenkollinearität (MPC), einen Modalparameter, der die Komplexität eines Modenformvektors beschreibt, und die mittlere Phasenabweichung (MPD), einen gewichteten Mittelwert der Phasenabweichungen der einzelnen Modenformkomponenten von den mittleren Phasenparametern. Dabei ist erstere hoch und letztere niedrig, was sich in den tatsächlichen Modenformen widerspiegelt.
Das in Abb. 14 gezeigte Kreuzleistungsspektrum – dargestellt als Stabilitätsdiagramm – bestätigt die in der Tabelle enthaltenen Daten hinsichtlich der Frequenzkonzentration auf niedrige Werte.
Die Abb. 15, 16, 17 und 18 zeigen die ersten vier Modenformen. Die erste Mode bei 0,63 Hz ist eine Biegemode mit transversalem Trend.
Die zweite Mode ist zweifellos die signifikanteste und stellt die erste Biegemode in der vertikalen Ebene dar.
Die dritte Mode bei 0,86 Hz ist eine Torsionsmode. Der übliche Trend ist im zentralen Bereich akzentuiert und schwächt sich zu den Widerlagern hin ab.
Die vierte Mode bei 0,89 Hz mit ihrem klassischen Trend zur inversen Krümmung und einer Biegung in der Mitte des Trägers stellt eine zweite Querbiegung dar.
Man beachte, dass die ersten vier Eigenfrequenzen des Viadukts alle deutlich unter 1 Hz liegen und ihr Abstand zueinander insgesamt unter 0,3 Hz beträgt.
Bei 1,15 Hz finden wir die erste starre Längsmode des Brückendecks, während bei 1,56 Hz und 2,86 Hz eine obere Quermode und die zweite Biegemode in der vertikalen Ebene zu finden sind.
Die Analyse der Modal Assurance Criteria (MAC) bestimmt die Ähnlichkeit zweier Modenformen. Vergleicht man eine Modenform mit sich selbst, dann sollte der MAC-Wert eins bzw. 100 % betragen. Der MAC-Wert zwischen zwei Moden entspricht im Wesentlichen dem Produkt des normalisierten Punktes des komplexen Modalvektors, der sowohl die Amplitude als auch die Phase an jedem gemeinsamen Knoten (also den Punkten) umfasst. Dieser MAC-Wert kann auch als das Quadrat der Korrelation zwischen zwei Modalvektoren betrachtet werden.
Idealerweise sollte jede Mode eindeutig beobachtet werden und eine von den anderen Moden abweichende Form aufweisen. Daher ist entlang der Diagonale jede Mode mit sich selbst identisch. Theoretisch sollten die nicht auf sich selbst bezogenen Moden außerhalb der Diagonale linear unabhängig sein, und ihr MAC-Wert sollte nahe Null sein (siehe Abb. 19). Auf der linken Seite sind die ersten 18 Moden dargestellt, die alle im Bereich unter 3,5 Hz liegen, auf der rechten die ersten sieben, die wir als besonders signifikant erachten und die oben in Tabelle 1 analysiert werden.
Fazit
Unsere dynamische Charakterisierung des Viadukts mittels Betriebsmodalanalyse (OMA) setzt mit ihren zahlreichen Messpunkten und dem Umfang der erfassten Daten einen hohen Standard für die Strukturüberwachung. Trotz der Herausforderungen stellt das Projekt einen wichtigen Meilenstein dar, der die starke Präsenz von Dewesoft auf dem italienischen Markt für Ingenieurbau und Infrastruktur unterstreicht.
Das Überwachungssystem am Serra-Cazzola-Viadukt ist hinsichtlich seines Umfangs und der Anzahl der eingesetzten synchronen Messwertgeber zweifellos eines der größten, die je realisiert wurden. Das System ist für ein Strukturüberwachungsprojekt im Rahmen eines umfassenden nationalen Kontrollplans für Brücken und Viadukte bestimmt. In diesem Kontext ist die OMA-Untersuchung, die eine angemessene experimentelle modale Charakterisierung ermöglicht, als Auftakt für viele weitere zukünftige Instandhaltungsprojekte zu verstehen, die auf die Kontrolle sogenannter sensibler dynamischer Parameter abzielen.
Das Überwachungssystem wurde mit allen notwendigen Funktionen ausgestattet, um einen dauerhaften und zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten. In diesem Sinne ist die verwendete modulare Lösung offen für zukünftige Erweiterungen, Verbesserungen und Modifikationen. Die gewählte architektonische Lösung in Verbindung mit der besonderen Instrumentierung erlaubte zum Beispiel Installationen, die nur einen minimalen Einsatz von Hebemaschinen mit hohen täglichen Kosten (Brückenuntersichtsgerät) erforderten.
In Anbetracht des Umfangs der Gesamtinstallation und der Anzahl der an einem strukturellen System ohne Kontinuitätsunterbrechung eingesetzten Messwertgeber sind die Überprüfung und die Kongruenz der Parameter wesentliche Elemente für die Validierung der Anlage.
Nicht zuletzt ist es eine Herausforderung, bei einem Bauwerk von beträchtlicher Größe eine synchrone Datenerfassung zu gewährleisten. Die verwendeten operativen Methoden sind einzigartig und entscheidend, können jedoch als Ausgangspunkt für ähnliche Lösungen dienen.
Das EtherCAT-Protokoll in den sechs Zweigen des Systems garantiert die Synchronität. Diese muss sich auch im Verhalten des Gesamtsystems widerspiegeln, damit es als einheitliches System betrachtet werden kann. In diesem Fall haben wir zwei Ansätze miteinander verglichen, einen etwas innovativeren und raffinierteren, der sich auf GPS-Verfahren stützt, und einen traditionelleren, der den NTP-Standard nutzt. Dieser letztere ist zwar zunehmend leistungsfähiger, lässt aber auch Raum für Zweifel.
Die zweite Methode lieferte überraschenderweise hervorragende Ergebnisse, was auf die konstitutiven Eigenschaften des untersuchten Bauwerks und die daraus resultierenden niedrigen Frequenzen zurückzuführen ist. Gleichzeitig konnte die erste Methode, obwohl sie an sich leistungsfähiger ist, aufgrund praktischer Schwierigkeiten nicht optimal genutzt werden.